1985/1986 FDGB-Pokal Viertelfinale Rückspiel: FC Carl Zeiss Jena - 1. FC Lokomotive Leipzig 2:4 n. E.: Unterschied zwischen den Versionen
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== Spielbericht == | |||
=== Ein Weihanchtskrimi im Dauerregen === | |||
Peter Gießner, der Lok-Vorsitzende, muß ein unerschütterlicher Optimist sein. Still und heimlich hatte er nach Jena, wo die Lok noch stets zu harten Gefechten gestellt wurde, ein paar Fläschchen Sekt mitgenommen. Und das bei einer 0:0-Ausgangsposition, die ohne Moldt und M. Liebers, ohne Leitzke und Treske angegangen werden mußte. Nach runden 150 Minuten kredenzete er seinen total erschöpften, aber überglücklichen Spielern in der Kabine, einigen unter der Dusche, ein Gläschen. "Geschafft, und frag nicht wie", meinte Wolfgang Altmann, erst nach einem Sondertest ins Marathom-Rennen gegangen. Er war wohl das Beispiel aufopferungsbereiter Einsatz- und Laufbereitschaft dem alle zu folgen trachteten. | |||
Lok wußte, mit spieltechnischen Mitteln allein gab´s auf vom Dauerregen tiefgeweichten Boden keine Erfolgsaussichten. "Das ist das Erfreuliche", strahlte Hans-Ulrich Thomale, "in kämpferischer Hinsicht, im leidenschaftlichen Einsatz haben alle meine Erwartungen voll erfüllt." Endlich, fügte er nicht hinzu. Aber jeder im Lok-Umfeld weiß, daß Trainer und Leitung beharrlich daran arbeiten, die Probstheidaer widerstandsfähiger, weniger anfällig zu machen. | |||
Dies Spiel deutet an (und erst beständige Qualitäten lassen von einer Wende reden), die Saat scheint aufzugehen. Nicht zuletzt, "und deshalb besonders hoffnungsträchtig", wie Horst Scherbaum betonte, "die Vorstellung der jungen Burschen wie Kracht, Lindner". Das Team der Blauen stemmte sich geschlossen in den 120 Tempominuten gegen die Niederlage, suchte im beherzt leidenschaftlichen Fight die Angriffsflut der Jenaer zu dämmen und - so oft immer es sich anbot - auch das Hoffnungsflämmchen auf ein Auswärtstor zu erhalten. Bräutigam im Jenaer Tor bekam wenig zu tun, bei Marschalls Abfälscher eines Lindner-Schusses (11. an den rechten Pfosten), in zwei guten Szenen von Richter und Marschall (beide knapp verzogen) wäre er ohnehin nicht an den Ball gekommen. "Ohne Glück sind wir hier nicht davongekommen", waren sich mit Rene Müller alle Leipziger einig. | |||
Jürgen Raab, am Spieltag 27 geworden, stand mit Blumen im Arm nicht eben in Geburtstagsstimmung vor der Kabine. Niedergeschlagen wie er war, suchte er dennoch nicht das Gerede von Pech, obwohl da gleich viermal nur Zentimeter fehlten, als zwei seiner Versuche, dazu einer von Böger, von Meixner, am Holz landeten. "Wir erspielten und erkämpften uns soviel Chancen, daß mehr als das nötige eine Tor hätte fallen müssen. "Bißchen kopflos, hektisch", nannte er die Abschlußhandlungen. | |||
Dabei spielten die Jenaer wie eine echte Spitzenmannschaft auf, wiesen nach (noch immer ohne Weise, Krause), welch Leistungszuwachs an der Saale geschaffen worden ist. Nicht nur höchste Tempobereitschaft, auch erstaunlich sichere Spielzüge, häufig direkt gestaltet (Raab, Meixner, Böger, Brauer), sorgten für eine Leistung, die mit Loks Gegenwehr nach Urteil aller Experten in "echtes Spitzenniveau" mündeten. Lothar Kurbjuweit wie Hans-Ulrich Thomale griffen da hoch, aber nicht zu hoch, wie die Trainerprominenz von Buschner bis Meyer, Irmscher bis Stange bestätigte. | |||
Die Einschränkung "unausgereifte Abschlußhandlung" steht natürlich (größte Chance Peschke in der 90. völlig frei vor Müller), aber an einem Rene Müller sind bekanntlich schon internationale Spitzenkräfte gescheitert. Und was der Auswahltorwart, hier und da im Regenlicht nicht ohne Distanzprobleme, im Getümmel und aus der Ferne wegnahm, das war (aus Jenaer Sicht) schon zum Verzweifeln. Die Krönung seiner und seiner Mannschaft Leistung: das Elfmeterschießen, eiskalt vom Punkt, heiß auf der Linie. | |||
''(Horst Friedemann in "Die Neue Fussballwoche" vom 24. Dezember 1985)'' | |||
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Aktuelle Version vom 1. Januar 2023, 16:06 Uhr
Spieldaten | |
Wettbewerb | FDGB-Pokal, Viertelfinale Rückspiel |
Saison | Saison 1985/1986 |
Ansetzung | FC Carl Zeiss Jena - 1. FC Lokomotive Leipzig |
Ort | Ernst-Abbe-Sportfeld |
Zeit | Fr. 20.12.1985 17:00 Uhr |
Zuschauer | 5.500 |
Schiedsrichter | Bernd Heynemann (Magdeburg) |
Ergebnis | 0:0 |
Tore |
Elfmeterschießen:
|
Andere Spiele oder Berichte |
|
Programmheft |
als PDF |
Aufstellungen
- Jena
- Perry Bräutigam
- Heiko Peschke
- Gert Brauer, Wolfgang Schilling, Thomas Ludwig
- Stefan Böger, Stefan Meixner, Thomas Schmiecher
- Andreas Bielau, Jürgen Raab, Henry Lesser (112. Robby Zimmermann)
Trainer: Lothar Kurbjuweit
- Leipzig
- Rene Müller
- Frank Baum
- Ronald Kreer, Torsten Kracht, Uwe Zötzsche
- Matthias Lindner, Uwe Bredow, Wolfgang Altmann (106. Dieter Kühn)
- Peter Schöne (111. Heiko Liebers), Hans Richter, Olaf Marschall
Trainer: Hans-Ulrich Thomale
Spielbericht
Ein Weihanchtskrimi im Dauerregen
Peter Gießner, der Lok-Vorsitzende, muß ein unerschütterlicher Optimist sein. Still und heimlich hatte er nach Jena, wo die Lok noch stets zu harten Gefechten gestellt wurde, ein paar Fläschchen Sekt mitgenommen. Und das bei einer 0:0-Ausgangsposition, die ohne Moldt und M. Liebers, ohne Leitzke und Treske angegangen werden mußte. Nach runden 150 Minuten kredenzete er seinen total erschöpften, aber überglücklichen Spielern in der Kabine, einigen unter der Dusche, ein Gläschen. "Geschafft, und frag nicht wie", meinte Wolfgang Altmann, erst nach einem Sondertest ins Marathom-Rennen gegangen. Er war wohl das Beispiel aufopferungsbereiter Einsatz- und Laufbereitschaft dem alle zu folgen trachteten.
Lok wußte, mit spieltechnischen Mitteln allein gab´s auf vom Dauerregen tiefgeweichten Boden keine Erfolgsaussichten. "Das ist das Erfreuliche", strahlte Hans-Ulrich Thomale, "in kämpferischer Hinsicht, im leidenschaftlichen Einsatz haben alle meine Erwartungen voll erfüllt." Endlich, fügte er nicht hinzu. Aber jeder im Lok-Umfeld weiß, daß Trainer und Leitung beharrlich daran arbeiten, die Probstheidaer widerstandsfähiger, weniger anfällig zu machen.
Dies Spiel deutet an (und erst beständige Qualitäten lassen von einer Wende reden), die Saat scheint aufzugehen. Nicht zuletzt, "und deshalb besonders hoffnungsträchtig", wie Horst Scherbaum betonte, "die Vorstellung der jungen Burschen wie Kracht, Lindner". Das Team der Blauen stemmte sich geschlossen in den 120 Tempominuten gegen die Niederlage, suchte im beherzt leidenschaftlichen Fight die Angriffsflut der Jenaer zu dämmen und - so oft immer es sich anbot - auch das Hoffnungsflämmchen auf ein Auswärtstor zu erhalten. Bräutigam im Jenaer Tor bekam wenig zu tun, bei Marschalls Abfälscher eines Lindner-Schusses (11. an den rechten Pfosten), in zwei guten Szenen von Richter und Marschall (beide knapp verzogen) wäre er ohnehin nicht an den Ball gekommen. "Ohne Glück sind wir hier nicht davongekommen", waren sich mit Rene Müller alle Leipziger einig.
Jürgen Raab, am Spieltag 27 geworden, stand mit Blumen im Arm nicht eben in Geburtstagsstimmung vor der Kabine. Niedergeschlagen wie er war, suchte er dennoch nicht das Gerede von Pech, obwohl da gleich viermal nur Zentimeter fehlten, als zwei seiner Versuche, dazu einer von Böger, von Meixner, am Holz landeten. "Wir erspielten und erkämpften uns soviel Chancen, daß mehr als das nötige eine Tor hätte fallen müssen. "Bißchen kopflos, hektisch", nannte er die Abschlußhandlungen.
Dabei spielten die Jenaer wie eine echte Spitzenmannschaft auf, wiesen nach (noch immer ohne Weise, Krause), welch Leistungszuwachs an der Saale geschaffen worden ist. Nicht nur höchste Tempobereitschaft, auch erstaunlich sichere Spielzüge, häufig direkt gestaltet (Raab, Meixner, Böger, Brauer), sorgten für eine Leistung, die mit Loks Gegenwehr nach Urteil aller Experten in "echtes Spitzenniveau" mündeten. Lothar Kurbjuweit wie Hans-Ulrich Thomale griffen da hoch, aber nicht zu hoch, wie die Trainerprominenz von Buschner bis Meyer, Irmscher bis Stange bestätigte.
Die Einschränkung "unausgereifte Abschlußhandlung" steht natürlich (größte Chance Peschke in der 90. völlig frei vor Müller), aber an einem Rene Müller sind bekanntlich schon internationale Spitzenkräfte gescheitert. Und was der Auswahltorwart, hier und da im Regenlicht nicht ohne Distanzprobleme, im Getümmel und aus der Ferne wegnahm, das war (aus Jenaer Sicht) schon zum Verzweifeln. Die Krönung seiner und seiner Mannschaft Leistung: das Elfmeterschießen, eiskalt vom Punkt, heiß auf der Linie.
(Horst Friedemann in "Die Neue Fussballwoche" vom 24. Dezember 1985)