1937/1938: 1. SV Jena - Schalke 04 3:4

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Spieldaten
Wettbewerb Gesellschaftsspiel
Saison Saison 1937/1938
Ansetzung 1. SV Jena - FC Schalke 04
Ort Stadion in Jena
Zeit So. 03.10.1937 15:00
Zuschauer 20.000
Schiedsrichter Tölke (Erfurt)
Ergebnis 3:4 (1:3)
Tore
  • 1:0 Bernhardt (1.)
  • 1:1 Kalwitzki (7.)
  • 1:2 Urban (25.)
  • 1:3 Gellesch (40.)
  • 1:4 Kalwitzki (51.)
  • 2:4 Paul (65.)
  • 3:4 Bernhardt (70.)
Andere Spiele
oder Berichte


Aufstellungen

Jena
Paul Günther
Hermann Schüßler, Walter Hädicke
Hermann Malter, Heinz Werner, Fred Harthaus
Walter Bachmann, Max Rötschke (46. Heinz Kleinsteuber), Ernst Bernhardt, Walter Paul, Bernhard Schipphorst

Trainer : Josef Pöttinger

Schalke 04
Hans Klodt
Hans Bornemann, Otto Schweißfurth
Ernst Sontow, Rudolf Gellesch, Valentin
Ernst Kalwitzki, Fritz Szepan, Ernst Pörtgen, Adolf Urban, Willi Mecke

Trainer : Hans "Bumbes" Schmidt

Spielbericht

20000 und der Deutsche Meister

Das Jenaer Stadion hatte am Samstag mit etwa 20000 Besuchern seine stärkste Belastungsprobe zu bestehen. Das nimmt nicht wunder, wenn die vielgerühmten, aber in Thüringen bisher unbekannten Schalker spielen. Aber die große Überraschung war, daß die Knappen mit voller Kraft kämpfen mußten, um den Sieg sicherzustellen. Das hatte keiner erwartet, und es freut uns Jenaer umso mehr. Damit ist also wieder einmal bewiesen, daß die Jenaer, wenn sie in bester Form sind, das spielerisch ausgereifteste Können im Gau Mitte besitzen. Sollten die SV.er einigermaßen Ihre am Sonntag gezeigten Leistungen halten, dann sind sie erster Anwärter auf die diesjährige Meisterschaft. Ob ihnen das gelingt, möge der Verlauf der Serienspiele zeigen.

Szepan spielt, Kuzorra gibt Autogramme

Wie wir schon über das Spiel in Halle gegen die Sportfreunde vernahmen, stellten die Schalker Ersatz, so vor allem für Kuzorra und Tibulski, die aber ihre Mannschaft begleiteten und sich so wenigstens den Mitteldeutschen nicht entzogen und auch nicht den Autogrammjägern. Dafür aber spielten Fritz Szepan und auch Pörtgen. Das war die Mannschaft des deutschen Meisters: Klodt; Bornemann, Schweißfurth; Sontow, Gellesch, Valentin; Kalwitzki, Szepan, Pörtgen, Urban, Mecke. Damit war klar, daß der stärkste Teil der Sturm sein würde, der dann auch die Erwartungen ganz erfüllte. Lediglich Mecke konnte nicht ganz mithalten.

Über den Spielverlauf zu schreiben, erübrigt sich, da alle, die auch nur ein wenig für den Fußballsport übrig haben, im Stadion gewesen sind. Jedenfalls fing es richtig an, Jenas neuer Mittelstürmer, schon in der 1. Minute Klodt einen unhaltbaren Schuß ins Gehäuse setzte.

Was ist nun mit Schalke 04?

Wir haben es schon so oft erlebt, daß man bei Mannschaften und Spielern, denen allzuviel Ruhm vorangeht, eine Enttäuschung erlebt. Das aber war bei Schalke nicht der Fall. Auch wenn wir zugeben müssen, daß die Schalker sich nicht in Höchstform in Jena vorstellten. So waren sie doch immer noch beste deutsche Klasse und rechtfertigten ihren Ruf und ihr Ansehen in jeder Weise. Was ist nun das Besondere an Schalke. Das ist die fabelhafte Mannschaftsleistung, die sich zuspitzt auf den Sturm, das Glanzstück der Gäste. Was wir schon immer gehört hatten: die Deckung ist zuverlässig, aber nicht überragend, wenn wir einmal von Klodt absehen, der noch vielversprechend ist. Aber die Deckung ist genau so auf das Schalker Spiel abgestimmt wie die Stürmer es sind. Nehmen wir etwa die Rückgaben an den Torwart mit Kopfball nach rückwärts!

Und nun das sogenannte Kreiselspiel. Zeitweise, es war aber nur etwa ein Drittel der Gesamtzeit, konnten die Schalker damit die Jenaer wirklich verblüffen und die Zuschauer begeistern. Tricks gab es, wie wir sie bei uns noch nicht gesehen haben, auch nicht vom Club oder von Fürth. Prächtig war das Täuschen. Da läuft etwa ein Spieler vom Ball weg, zieht den Gegner mit, läuft zurück zum allein liegenden Ball und hat sich so freigespielt.

Und wo stehen die Stürmer eigentlich? Kalwitzki in der Mitte, Urban rechts, Pörtgen ganz vorn, - so geht das sinnverwirrend und doch zweckvoll vor sich. Alle Achtung, daß da die Jenaer Deckung mithielt.

Schalke kann alles

Das also ist die Feststellung, die wir machen konnten: die Schalker sind wohl allesamt verliebt in den Ball und lassen ihn nicht gern fort, aber nur solange sie sich davon etwas versprechen. Ist der Gegner durcheinandergebracht und die Deckung geöffnet, dann kommt ein blitzschneller Steilpaß an einen plötzlich weit vorne stehenden Stürmer, und da die Schalker sehr schnell sind, ist meist höchste Gefahr.

Oder das Flügelspiel. Schalke vernachlässigt auch dieses nicht und sorgt dafür, daß haargenaue Flanken am Tor vorbeistreichen. Und auch aufs Tor wird viel geschossen. Davon kann ja Günther berichten. Vielleicht sind es nicht solche Bombenschüsse, wie wir sie von Helmchen oder Becher kennen, aber placiert sind sie und deshalb so gefährlich.

Haargenaues weiches Zuspiel

Wir haben schon das prächtige Kreiseln mit ebenso gutem Stellungsspiel und blitzschnellem Platzwechsel hervorgehoben. Das kann aber nur dann durchgeführt werden, wenn als Voraussetzung eine bis ins letzte gekonnte Ballbehandlung gegeben ist, die den Ball so weich und genau laufen läßt, daß er auch nicht einen Deut weiter läuft oder in anderer Richtung als gewünscht. Hier gab es für die Jenaer sehr viel zu lernen. Auch sei erwähnt, daß sich Klodt ebenfalls mit einschaltete. Seine Abstöße kamen ebenso genau dorthin, wo sie benötigt wurden. Und wie oft sieht man sonst, daß der Torwart ins Blaue hineinschlägt. Verblüffend war die Schnelligkeit, selbst Szepan mit seinen 30 Jahren machte darin keine Ausnahme. Die Körperbeherrschung der Knappen verrät eisernes Training und beweist, daß niemandem etwas geschenkt wird, will er es zu etwas bringen. Und von wegen "In Schönheit sterben". Die Schalker spielen einen herzhaften Fußball und sind auch nicht frei von Härten. Wenn es ihnen nötig erscheint, verstehen sie es auch, sich für eine Regelwidrigkeit zu entschädigen. Aber das sind eben nur Kleinigkeiten, mit denen sie mehr den Schiedsrichter auf die Probe seines Könnens stellen, als etwa den Gegner schädigen oder das im ganzen vorbildlich anständige und schöne Spiel stören. Aber wie gesagt, die Knappen sind durchaus nicht verzärtelt.

Kampfgeist und Einsatz bis zum Schluß

Man hat mit Gastmannschaften schon schlechte Erfahrungen gemacht, besonders wenn sie zu den "oberen Zehntausend" gehören. Aber das war es, was Schalke in Jena und damit in Thüringen unauslöschliche Gunst gebracht hat, daß sie mit vollstem Einsatz, mit Kampf- und Spiellust und mit größtem Einsatz kämpften und nicht ein einziges Mal zeigten, daß sie Deutscher Meister sind, der es ja eigentlich gegen die unbekannten Jenaer nicht nötig hat.

10 Kameraden um Szepan

Wir sagten schon, daß bei Schalke die einheitlich abgestimmte Mannschaftsleistung das Schöne ist, als solche vorbildlich für alle deutschen Mannschaften. Daher ist es auch unangebracht, hier die einzelnen Spieler unter die Lupe zu nehmen. Ein paar Worte seien aber doch erlaubt. Torwart Klodt: prächtige Gestalt mit gutem Spielinstinkt, was sich besonders beim Herauslaufen zeigt. Herrlich ist seine Ballaufnahme, die so elegant ist wie die eines Artisten und doch so zweckvoll den Ball tötet. Wie war das schön, als er eine flache Bombe in die Ecke seelenruhig mit einer Hand abstoppte, so daß der Ball einfach liegen blieb. Günther konnte da nur lernen. Die Verteidigung Bornemann und Schweißfurth stach nicht besonders heraus, die Läuferreihe ebenfalls nicht. Ihre Stärke liegt in dem reibungslosen Zusammenspiel mit dem Sturm. Der Ersatz Sontow im Sturm paßte sich vollwertig ein, Gellesch konnte als Mittelläufer seine Vielseitigkeit beweisen. Im Sturm wurde er auch gar nicht gebraucht, da hier außer Mecke die glanzvollste Besetzung antrat. Szepan ist zweifellos der Dirigent der Fünferreihe, aber so selbstlos, daß darüber nur Lob sein kann. Der blonde Fritz schoß denn auch kein Tor und hat uns dennoch nicht enttäuscht. Sein Arbeitspensum war sehr groß, sein Einsatz ohne Schonung und Zimperlichkeit. Urban gefiel uns besonders, ohne das nun Kalwitzki viel schlechter war. Aber Urban ist der Durchreißer, der für Tore sorgt und auch in Jena viel aufs Tor schoß. Mecke als Ersatz war auch sehr schnell und verriet die gute Schalker Schule. Am Nachwuchs mangelt es ja bei großen Vorbildern nicht.

Der 1. SV ein großer Gegner

Die Jenaer spielten mit einer solchen Aufopferung und zugleich einer Luft, nahmen die Anregungen der Gäste sofort auf und setzen Schalke zeitweise derart zu, daß das Spiel dann ausgeglichen war, wenn man von der technischen und taktischen Überlegenheit der Gäste absieht, so daß ein Kampf entstand, der an das unvergessliche Spiel der Jenaer gegen Austria Wien erinnert.

Das wesentliche war wohl, daß die SV.er endlich wieder schnell abspielten, dazu flach und auch im Sturm das Schießen nicht vergaßen. Sehr bedeutsam war, daß erstmals der frühere Gothaer Bernhardt mitwirkte, der technisch vorzüglich ist und gute Spielübersicht hat, wenn er auch etwas schwer ist. Er gefiel prächtig und setzte mit seinen Bombenschüssen Klodt recht in Verlegenheit. Sein letztes Tor, direkt aus der Luft verwandelt, konnte begeistern.

Auch die Jenaer Mannschaft soll nicht einzeln betrachtet werden. Sie hat die gleiche vorzügliche Gesamtleistung wie die Schalker vollbracht und ist über ihr sonstiges Können hinausgewachsen. Genannt werden müssen aber Werner, der sich zwar mit Harthaus und Malter zeitweise stark auf Verteidigung beschränken mußte, der aber bei offensivem Spiel wieder seinen Raum unbedingt beherrschte. Daneben ist der kleine Malter zu nennen, der unermüdlich schaffte und dafür die Wiederberufung in die Gaumannschaft erhielt. Wir gönnen es dem sympathischen Spieler von Herzen. Im Sturm war es allein Bachmann, der erst nach seinem schönen Tore munter wurde. Sonst aber spielten die Fünf alle viel zusammenhängender als in den letzten Kämpfen-. Paul bewies wieder, daß er mit gesundem Schuß unbedingt eine Verstärkung des Sturms ist. Er und Bernhardt werden auch für manches Tor in den Punktspielen gut sein.

Wir dürfen hier auch nicht vergessen, des Betreuer Pöttinger zu gedenken, dessen Arbeit sich an diesem großen Gegner bewährt hat. So ist das Schalke-Gastspiel in jeder Beziehung ein Erfolg gewesen und wird in Jenas Sportgeschichte so bald kaum vergessen werden.

Zu danken haben wir noch dem verständnisvollen Entgegenkommen der Stadt, die die Schalker würdig im Rathaus empfangen hat, wobei Oberbürgermeister und Kreisleiter Schmidt seine Worte fand, die die Gäste herzlich erfreuten. Auch die Kameradschaft zwischen Schalke und dem 1. SV war so schön, wie sie besser nicht sein kann. Beim geselligen Beisammensein am Abend wurden Geschenke ausgetauscht, die über den üblichen Rahmen hinausgingen und beiderseits dem Dank Ausdruck geben sollten, daß Schalke in Jena war und daß die Jenaer so gut gespielt haben, daß die Knappen ihr Bestes zu zeigen genötigt waren.

(Wolfgang Menzel in "Jenaische Zeitung" vom 4. Oktober 1937)



Noch schwerer (Spfr. Halle : Schalke 1:4) hatten die Mannen um Szepan in Jena zu kämpfen. Freilich sah es hier nicht nach einem einigermaßen günstigen Abschneiden der Aufgabe aus, als die Knappen nach ihrer 3:1-Halbzeitführung auf einen unverzeihlichen Fehler des Jenaer Tormanns Günther, der einen leichten Ball prallen ließ und Kalwitzki vor die Füße legte, einen weiteren Treffer markiert hatten. Doch Jenas Läuferreihe, in der der kleine Malter und der Nationalspieler Werner in besonders guter Spiellaune waren, sorgte durch prächtige Vorlagen in den Schalker Strafraum, daß es dort bald lichterloh brannte. Unter dem Jubel des für die Thüringer Universitätsstadt Rekordzuschauerzahl bedeutenden Publikums wurden den Schalkern noch zwei Treffer abgerungen. Schon glaubte alles an den Ausgleich, als Bachmann in denkbar günstigste Schußposition gelangte, in der Aufregung aber diese große Gelegenheit versiebte. Waren die Leute aus dem Kohlenpott auch in den letzten 20 Minuten der ersten Halbzeit ihren Gastgebern spielkulturell besonders stark überlegen, so waren anderseits die Schüler Pöttingers in allen übrigen Gefechtsphasen ein mindestens gleichwertiger Gegner. Auch in diesem Kampfe gab wieder die Spielerpersönlichkeit eines Szepan den Ausschlag, dessen Können das aller anderen Akteure hell überstrahlte.

(Leopold im Kicker am 5.10.37)