2000/2001 15. Spieltag: Sportfreunde Siegen - FC Carl Zeiss Jena 1:2
Spieldaten | |
Wettbewerb | Regionalliga, 15.Spieltag |
Saison | Saison 2000/2001, Hinrunde |
Ansetzung | Sportfreunde Siegen - FCC |
Ort | Leimbachstadion in Siegen |
Zeit | Sa. 04.11.00 14:00 |
Zuschauer | 3.145 |
Schiedsrichter | Wilhelm Bauer (Perl) |
Ergebnis | 1:2 |
Tore | |
Andere Spiele oder Berichte |
Aufstellungen
- Siegen
- Andreas Koch
- Richard Hasa (67.John van Buskirk) , Frank Germann (67. Martin Willmann) , Tilman Waegner
- Andreas Egler (55.Benjamin Knoche) , Jozef Kotula, Artur Platek , Andreas Nauroth
- Vidmantas Vysniauskas
- Carsten Gockel , Till Bettensteadt
Trainer: Ingo Peter
- Jena
- Roman Görtz
- Krzysztof Kowalik
- Timo Uster , Zoran Saraba
- Dirk Hempel , Stefan Treitl , Michael Mason
- Holger Lischke (55.Sebastian Barich) , Christian Hauser
- Aleksandar Jovic (90.Andreas Schwesinger), Miroslav Jovic (89.Tobias Kurbjuweit)
Trainer Slavko Petrovic
Spielbericht
Jena jubelt dank Jovic
Jena findet langsam wieder einen Ausweg aus der Krise und konnte den zweiten Sieg in Serie feiern . Carl Zeiss war die spielerisch bessere Mannschaft und entführte völlig verdient die wichtigen Punkte . Die Mannschaft hatte vor allem mit Aleksandar Jovic einen überragenden Stürmer , der 2 Minuten vor dem Abpfiff nach schöner Vorarbeit von Dirk Hempel auch den Siegtreffer erzielte . Siegen hatte erhebliche spielerische Mängel und musste froh sein , nach dem 0:1-Rückstand durch einen unnötigen von Timo Uster verursachten Handelfmeter vorübergehend zum 1:1 gekommen zu sein . Aleksandar Jovic wird in die Elf des Tages gewählt .
Bericht von H. Kreutz im Kicker vom 6.11.00
- 31.10.00 A-Junioren-RL : FV Dresden-Nord : FCC 0:1
- 31.10.00 B-Junioren-RL : FV Dresden-Nord : FCC 0:3
- 04.11.00 A-Junioren-RL : FCC : Dynamo Dresden 3:2
- 04.11.00 B-Junioren-RL : FCC : Dynamo Dresden 1:1
Impressionen
Hardcore-Onprangering
Wie oft fuhren die wackeren Lokalmatadore umsonst zu Auswärtsspielen! Nun sollte es sogar noch kostenlos nach Siegen gehen. Sofort als man von der mildtätigen Gabe der Jenaer Fußballer erfuhr, machte sich Traudel daran, telefonisch einige Plätze im kostenfreien Bus der Ettersberger für seinesgleichen zu reservieren. Die freundliche Stimme am anderen Ende signalisierte, daß es noch gar nicht sicher wäre, daß die Kutschen gen Siegen fahren würden, da in Ermangelung supportwilliger Kaputniks mit dem Abbruch der Aktion zu rechnen sei. Sollten wir treuen Fans tatsächlich nicht in den Genuß dieses Geschenks kommen? Ha! Das wäre doch gelacht. Also schlüpfte Traudel in sein Superman-Kostüm und schwang sich gönnerhaft an sein Notbuch, um im Jenaer Forum für eine Ausbuchung der zur Verfügung gestellten Plätze zu sorgen. Offenbar wurde der Aufruf erhört und nur kurze Zeit später war dat Dingen voll!! Traudel konnte sich beruhigt, mit dem Gefühl eine gute Tat vollbracht zu haben, ins Bettchen legen....
Samstag morgen - man erinnerte sich an die Worte des Ettersbergers, auch ja pünktlich zu sein, und man machte sich auf. 9.30 Uhr Abflugzeit! 9.15 Uhr war man mit Jena-Devotionalien, Fahne und Proviant am vereinbarten Treffpunkt. Und was will man sagen? Der Andrang hielt sich in Grenzen. Kein Schwein, kein Bus! Vielen Dank! So seid Ihr zu uns. Ihr wolltet uns offenbar nicht dabei haben. Aber den Gefallen tun wir euch nicht! Also wurde ein Krisenstab gegründet, welcher als erstes beschloß, diejenigen zu erschießen, welche an unserer Stelle im warmen Bus ihr Bier tranken und den imaginären Reise-Gutschein von DM 50,00 pro Person auf unsere Kosten verzehrten. Desweiteren wurde eine Grußadresse an die Ettersberger beschlossen, welche vollkommen richtig handelten, als man den vollen Bus 15 Minuten vor offizieller Startzeit abfahren ließ. Man hätte natürlich noch warten können, und für den Fall, daß die bescheuerten LOKALMATADORE nicht rechtzeitig einträfen, die Plätze anderweitig vergeben können. Aber soviel Weitsicht kann man nicht zwangsläufig erwarten.....
Also machte man sich mit Ärger im Bauch und geplündertem Wochenendbudget in der Kutsche von Lokalmatador Groete auf den Weg nach Siegen. Aufgrund der Kurzfristigkeit unserer selbständigen Überfahrt war man ein wenig im Unklaren, wo dieses Siegen überhaupt liegt. Traudel wußte es genau - im Siegerland! Aha, na dann konnte ja nix mehr schiefgehen. So fuhr man los, ohne dabei zu vergessen, an der Kultraststätte in Eisenach die obligatorischen Gedenkminuten einzulegen - an der Stelle, an der der damalige Fanclub "Durstige Männer" mit kaputtem Auto (?) und kaputten Insassen eine nicht zu schildernde 50:50 Chance nutze, um danach noch den Sieg Jenas in der 1. Runde des DFB-Pokals in Dortmund zu erleben. Ach ja, das waren noch Zeiten.... Doch die heutigen LOKALMATADORE hatten wenig Zeit, den alten Erfolgen nachzutrauern. Schließlich warteten in Siegen neben den parasitären Schwarzfahrern im kostenlosen Bus auch Gladbacher Freunde, welche sich in Siegen nicht zuletzt für den Support einiger Jenaer im Nürnberger Frankenstadion bei Gladbachs Niederlage revanchieren wollten (Grüße hierbei an den K.G.K sowie den Fanclub Siegerland). So ging es vorbei an Wiesen und Trennwäldern (?) in den östlichsten Zipfel Nordrhein-Westfalens. Nachdem man an der Ausfahrt Siegen-Eisern, welche direkt zum Stadion führte, ignorant vorbeifuhr, durfte man sich noch einen Eindruck von Siegens Innenstadt verschaffen. Wohin man sah - Brücken! Siegen, das Venedig Westfalens. Ansonsten eher grau, aber freundliche Menschen, die uns bayreuthwillig den Weg zum Ground wiesen. Danke. Dort angekommen hörte man schon die ersten Jena-Gesänge und wurde auch der Gladbacher Freunde gewahr. Das Bullerei-Aufgebot war erstaunlicherweise sehr klein. Von martialischen Kreuzrittern wie in Wehen konnte diesmal keine Rede sein. Nachdem man die Fragen der Ordnungsmacht nach dem "Ding in der Hose" mit einem lapidaren und gelogenen "Handy" beantworten konnte, ging es in den Gästeblock, der eine erstaunliche Aussicht bot. Die war im zugigen Rund des Stimmungstöters auch bitter nötig. Das Tor am anderen Ende war vor lauter Werbebanden kaum zu erkennen, so daß die Torhüter wirkten, als würden sie wie auf der Kirmes zur Belustigung der Zuschauer ein wenig durch die Botanik fliegen. Was sie im einzelnen "dort hinten" trieben, blieb den LOKALMATADOREN und insbesondere dem am Grauen Star leidenden Traudel verborgen.
Im etwa 100.000 Zuschauer fassenden Gästebereich verloren sich schätzungsweise 250 bis 300 Jenaer und etwa 30 Gladbacher Freunde. Es zog wie Hecht, und wenn eine Jenaer Kreatur am anderen Ende des Gästeblocks etwas rief, fragte man sich, ob der Typ sich nicht etwas deutlicher artikulieren kann. Kurzum, man war in einem Stimmungsgrab, was die Jenaer aber nicht davon abhielt, zumindest zu versuchen, Stimmung zu machen. Nach Aussagen einiger Siegener soll es ein super Support gewesen sein. Mag sein.... Von Heimseite kam recht wenig rüber. Im wahrsten Sinne. Kann schon sein, daß sie riefen, aber wissen tu ich's nicht. Darüber hinaus scheint die offenkundige Zerrüttung der Siegener Fanszene der Stimmung und der Unterstützung der eigenen Mannschaft den finalen Dolchstoß zu versetzen. Einen schönen Gruß an den Fanclub "Fair Play", der besser seinen Namen ablegen sollte, ebenso wie den Schal der Sportfreunde.....
Das Spiel ging los, und schon nach etwa 5 Minuten traten einem vor lauter Anfeuerung die Augen aus dem Kopf. Mann, kann das anstrengend sein. So schrie man gegen den Wind und gegen die Kälte Jena nach vorn. Die Jenaer spielten so wie immer. Schön und schnell, ohne die Tore zu machen. Nachdem einem die Kälte quasi zum Stehpinkeln zwang, wollte man sich nun mit einer warmen Bulette (Frikadelle?) den Magen verderben. Naja. Zum kalten Klops gab es Senf aus dem Luftkurort Bad Bitterfeld und trockene Weißbrotscheiben, welche einen zum Ersticken zwangen. Nachdem das Essen überlebt wurde, schaute man mit zitternden Gliedern auf das Spielgeschehen, welches der FC klar beherrschte und nach dicken Chancen von Lischke und A. Jovic auch mit einer Führung hätte nervenschonender gestalten müssen. Erwähnenswert noch die Tatsache, daß Hempus (wieder saustark!) von 2 Siegenern im Strafraum klar in die Zange genommen und zu Fall gebracht wurde. Nicht erwähnenswert, daß der Pfiff des zerstreut wirkenden Despoten in Schwarz-Grün ausblieb. Volkes Seele kochte über, ohne Galle zu versprühen. Fast schon fatalistisch fügten sich die Jenaer Fans in ihr Schicksal, nicht auf der Sonnenseite zu stehen. Einige rotzig trotzige "Ost-, Ost-, Ost-Deutschland"- und "Grün-Schwarze-Scheiße"-Rufe, welche bei unseren Gladbacher Freunden zu Irritationen geführt haben könnten. Danach wieder Unterstützung für die eigene Mannschaft. Vorbildlich. Mit dem Gefühl, daß ja noch alles drin ist, verabschiedete man die Gladiatoren in die Halbzeitpause. Der Pausentee schien vor allem der Jenaer Mannschaft gut bekommen zu sein. So spielte Jena weiterhin optisch und was die Chancenverteilung angeht überlegen. Als M. Jovic mit einem genialen Schlenzer ins lange Eck zur Jenaer Führung einschoß, kannte der Jubel im großen Käfig des Zeiss-Anhangs keine Grenzen!! Die geschundene Seele des Zeissfans bekam den wohlverdienten Balsam und die Haut ungeahnte Zärtlichkeiten. So lag man sich mit bekannten und fremden, gut und weniger gutriechenden Menschen in den Armen und glaubte Jena schon in der Championsleague.... ("oho 2010, Ihr werdet's sehen! Wir holen den U-U-EFA-Cup und wir werden Deutscher Meister). Sofort wurden auch wieder alte, fast versunken geglaubte Reime intoniert. So stellten die Jenaer Fans zwischen die Tore das beste Team der Welt und konnten ihr Glück kaum fassen. Erste "Oh-Wie-Ist-Das-Schön-Gesänge" trafen den Wehen-Fahrer tief im Mark und ließen ihn erschauern. Man hat schon alles gesehen.... So kam es, daß Timo-Uster-Fußballgott eine Viertelstunde vor dem ersehnten Schlußpfiff regelwidrig den linken Nasenflügel aufblähte, was als logische Konsequenz den Elfmeter-Piff nach sich zog. Entsetzen in den Gesichtern der mitgereisten Jenaer. Nicht mal Wut! Nur blankes Entsetzen und die Erkenntnis, daß wir die Seuche haben. Oh Jena, was tust du uns an.... Der Autor dieser Zeilen kann zum Tor nix sagen, da er das Elend nicht mit ansehen konnte. 1:1! Mit der Erkenntnis, daß man ja schließlich in Wehen nach einer 2:0 Führung noch mit leeren Händen dastand, versucht man, sich einen Punktgewinn einzureden. Bei jedem der nüchtern betrachtet planlosen Angriffe der Siegener spielte der Herzrhythmus Thunderdome und der Griff zum Sauerstoffgerät wurde obligatorisch. Als dann wenige Minuten vor Ende irgendein Jenaer Spieler allein auf das Siegener Tor zuläuft, hält es der Autor nicht aus, dreht sich weg, um dann von den ekstatisch jubelnden Jenaer Fans in eine Trance der Glückseligkeit versetzt zu werden. Ein unbeschreibliches und kaum noch gekanntes Gefühl, etwas Historisches erlebt zu haben. Die leidensfähigen Jena-Fans werden dieses Spiel als das "VfL-Halle" der Saison 2000/2001 apostrophieren und in wenigen Jahren wird man sagen, daß dies der Anfang war. Der Anfang einer unbeschreiblichen Serie, die Jena letztlich 2010 in den Fußballolymp brachte. Und so träumen und feiern sie noch heute......
Blau-Gelb-Weisse Grüße und weiter so!
--Traudel