2003/2004 16. Spieltag: FC Carl Zeiss Jena - FC Anhalt Dessau 6:0
Spieldaten | |
Wettbewerb | NOFV-Oberliga, 15. Spieltag |
Saison | Saison 2003/2004, Hinrunde |
Ansetzung | FC Carl Zeiss Jena - FC Anhalt Dessau |
Ort | Ernst-Abbe-Sportfeld |
Zeit | Fr. 21.11.03 19:30 Uhr |
Zuschauer | 2.417 |
Schiedsrichter | Jens Oehme (Witzschdorf) |
Ergebnis | 6:0 (4:0)[1] |
Tore | |
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Aufstellungen
- Jena
- Tino Berbig
- Olaf Holetschek
- Markus Grasser,Joachim Schwabe (46. Gert Müller)
- Vito Benedetti , Eric Noll, Stefan Treitl, Alexander Maul
- Kais Manai (73. Robert Böhme)
- Miroslav Jovic (66. Tobias Werner), Carsten Klee
Trainer: Joachim Steffens
- Dessau
- Stefan Spielau
- Norman Janke
- Daniel Schwibbe , Nico Frauendorf
- Nico Bebber , David Quidzinski , Konstantin Wachtel , Michael Teubel , Ladislav Stefke
- Christian Hüller , Marcin Karwot (22. Danny Mergenthaler)
Trainer: Andrej Muraviev
Spielbericht
Wer vor dem Spiel am Freitag Erbauung suchte, der musste seine Schritte nur gen Fanprojekt lenken, wohin der Supportersclub zwecks Jahresversammlung geladen hatte. In seiner Andacht zu Beginn ließ Pater Tamme die frommen Taten des letzten Jahres Revue passierten und dankte ausgiebig allen Jüngern, die sich dabei besondere Verdienste erwarben. Doch die Veranstaltung bot mehr als wechselseitiges Schulterklopfen, da FCC-Präsident Rainer Zipfel nach einer verhaltenen Diskussion das Wort ergriff. Kurz skizzierte er die Situation im Verein, wobei er offenherzig Zahlen und Internas in die Runde warf. Das verwunderte mich etwas, denn eigentlich nahm ich an, man erlange Kenntnis von derart gewichtigen Details nur wenn man sich als Butler in die Geschäftstelle einschleicht. Aber für Jenas Präsidenten scheint der SC einer verschwiegenen Freimauerloge zu gleichen, deren Mitglieder auch bei Vollzug hochnothpeinlichster Tortur ihre Zungen nimmer lösen.
Meinen Hang zu Klatsch und Tratsch auf diese Art befriedigt begab ich mich hernach auf die Tribüne, um mir das versprochene fussballerische Feuerwerk nicht entgehen zu lassen. Da die Blaugelbweißen während der Woche eifrig im Taktiklehrbuch geschmökert hatten, versuchten sie die Dessauer Igelstellung von Anfang an durch konsequentes Flügelspiel zu knacken, was ihnen bereits nach 10 Minuten zum ersten Mal Erfolg bescherte. Holetschek bediente Manai auf Linksaußen, der lief Richtung Grundlinie und bei seiner scharfen Hereingabe auf den kurzen Pfosten ergänzten sich Jovic und zwei Dessauer kongenial, da der Verteidiger den Ball abfälschte und Anhalt-Keeper Spielau suppenkasperte: „Nein, in die kurze Ecke spring ich nicht!“
Neun Minuten später reagierte Dessaus Goalie dagegen gleich zweimal prächtig. Er parierte erst Nolls Kopfball aus Nahdistanz, legte ihm dabei aber den Ball für einen weiteren Versuch genau vor die Füße. Dann schaffte es der Keeper, sich reflexartig aus Eric´s Schussfeld zu begeben, so dass er anschließend nicht aus dem Tornetz gekratzt werden musste, als Jenas Defensivmann das Leder aus Nahdistanz mit handgestoppten 215,78 km/h in die Maschen drosch.
Damit war der Käse eigentlich schon gegessen. In den Anfangsminuten hatten die Dessauer noch versucht, den Jenaern dadurch Paroli zu bieten, dass sie 2-3 mal ziemlich rustikal einstiegen. Nun ergaben die Anhaltiner sich willenlos ihrem Schicksal und der FCC veranstaltete für den Rest des Spieles mit ihnen so eine Art modifiziertes 5 gegen 2. Positiver Nebeneffekt war, dass der Schiri während des gesamten Matches die Karten stecken lassen konnte.
Das Spiel war nun manierlich anzusehen. Bereits in der 13. Minute war Jovic knapp an einem Doppelpack gescheitert, nahm das aber nicht zum Anlass, dem Fußball für immer zu entsagen sondern leitete in der 22. Minute einen weiteren schönen Angriff ein, als er trotz Bedrängnis nach Doppelpass mit Manai dem Tunesier den Ball auf den Fuß legte und dieser von der Strafraumgrenze nur knapp verzog. Nach einer halben Stunde gab es die nächste Chance durch Klee, der drei Minuten später dann tatsächlich traf. Nachdem Manai von links einen Freistoß in den Strafraum getreten hatte, schraubte sich Maul am höchsten und seine scharfe Kopfballeingabe kam so genau auf den Fuß von Speedy Carsten, dass dieser auch von einer im Fünfmeterraum platzierten Wohnzimmercouch aus eingenetzt hätte, ohne dabei aufstehen zu müssen.
Der FCC konnte es sich im Anschluss leisten, noch mehrere Möglichkeiten ungenutzt verstreichen zu lassen, so etwa bei Holetscheks Distanzschuss kurz vor der Pause. Um den FC Anhalt in Bedrängnis zu bringen, brauchte es an diesem Abend keiner Geistesblitze, gegen die überforderten Gäste reichte schon gediegene fußballerische Hausmannskost. Manais erfolgreicher Versuch, einen Freistoß aus spitzem Winkel direkt im kurzen Eck zu versenken, war der abschließende Beleg für die überhohe Quote an individuellen Fehlern bei den Dessauern, mit denen man in dieser Liga zwangsläufig auf dem letzten Platz landet. So ging der FCC mit dem höchsten Torvorsprung in die Kabine, an den ich mich je erinnern kann, seit man am 23. Spieltag der Saison 1983/84 dem FC Vorwärts Frankfurt/Oder zum Karfreitag etwas vorfristig 5 Eier ins Netz gelegt hatte (Endstand damals 6:3).
Nach der Pause verflachte das Spiel sichtlich, da die Konzentration auf Jenaer Seite spürbar nachließ. Bereits in der ersten Halbzeit gab es Zeissakteure, die die desolate Vorstellung der Dessauer als Einladung zum albern begriffen, denn eine Rückgabe vom Strafraumeck wie bei Alexander Maul war selbst bei einem Keeper wie dem Dessaus Spielau des Schlechten zu viel, um ein Tor zu erzielen. Darüber hinaus versuchten nun einige Blaugelbweiße, die naturgegebenen Grenzen ihrer fußballerischen Begabungen zu ergründen. Häufig gelang das, denn es macht eben einen gewissen Unterschied, ob Kais Manai zu einem Sololauf ansetzt und dabei mehrere Gegner links und rechts liegen läßt, oder ob sich Benedetti als Dribbelkönig versucht.
Vito war jedoch nicht der Einzige, der seine Form der letzten Wochen konserviert hatte, denn auch Eric Noll zeigte nach seinem fulminanten Treffer, dass er es auch anders kann. Unbedrängt von jedem Gegenspieler besaß er Zeit im Übermaß, die eigenen Mitspieler gegebenfalls per SMS oder Flaschenpost darüber zu informieren, wohin seine Eingabe denn landen soll, schaffte es aber trotzdem, den Ball ins Toraus zu befördern. So wird er wohl nicht als Flankengott in die Annalen eingehen. Wenigsten war für Noll die Schuldfrage bei dieser Aktion geklärt, denn er malträtierte anschließend die Eckfahne, da sie ihn wohl dank ihrer gleißenden signalroten Farbe geblendet hatte. Selbst bei Carsten Klees sehenswertem Treffer zum 5:0 wage ich die ketzerische These, dass dieser Ball nicht als Torschuss sondern eher als Flanke gedacht war, wobei selbige das Attribut „verunglückt“ nun wirklich nicht verdiente.
So hielt das Jenaer Spiel zunehmend Schritt mit dem Ideenreichtum des Wechselgesangs der Zeissfans: Anfangs ganz erfrischend, aber irgendwann zum abwinken ermüdend. Auch wenn jetzt einige Ajatollahs an einer Fatwa gegen mich basteln sollten, da ich es wage, bei einem Kantersieg immer noch zu beckmessern, komme ich zu keinem anderen Schluss: Die zweite Hälfte hatte nur die Qualität besseren Rummelboxens. Um bei diesem Bild zu bleiben: Zwar gab es Knockouts zu bewundern, aber der Gegner war auch entsprechendes Fallobst und wer je Sugar Ray Robinson oder Muhammad Ali fighten sah und dabei ein Gefühl für die Ästhetik des Faustkampfes entwickelte, der musste sich bei dem Gebotenen mit Grausen abwenden. Oder aber man labte sich, wie die „Hermsdorfer Holzköpfe“ in der Reihe vor mir, an einer Sonderabfüllung des FC Carl Zeiss Jena-Jubiläumssektes, bei der man sich beim Alkoholgehalt offenbar an der Jahreszahl des Geburtstages orientiert hatte. Dann kam man in die nötige Stimmung, um abwechselnd vehement die Fortsetzung des Feuerwerks zu fordern oder sich die Bäuche vor Lachen zu halten, als auf der Anzeigetafel das 3:0 der Essener gegen Chemie verkündet wurde, aber ihre gute Laune wäre auch befördert wurden, wenn man statt dieses Ergebnisses die Neuverpflichtungen des FC Pumpernickel zur Kenntnis gebracht hätte.
Für ein versöhnliches Ende des Spiels sorgte kurz vor Schlusspfiff der letzte Treffer, nicht so sehr, weil er über die Bande Lattenunterkante-Innenpfosten erzielt wurde, sondern weil er mit Tobias Werner einem Debütanten gelang. Angesichts dieses Umstandes stellt sich für mich die Frage, warum in dieser Partie nicht noch andere Nachwuchsspieler eine Chance erhielten. Wenn man einen Thomas Hurt, der beim Pokal in Gera wohl einer der Besten war, schon nicht von Anfang an aufbot, warum dann nicht wenigstens nach der Halbzeit, da dass Spiel ja bis dato vorentschieden war? Wieso kommt ein Kai Zimmermann in solch einem Match nicht wenigstens in den letzten 15 Minuten zum Zuge, wo er unbedrängt von psychischem Druck agieren könnte? Hier scheinen mir Möglichkeiten vergeben zu werden, junge Spieler kontinuierlich an die erste Mannschaft heran zu führen.
So gab es am Ende einen viertklassigen Kantersieg zu verbuchen. Es ist bekanntlich sehr unwahrscheinlich, dass dieser Jenaer Erfolg am Saisonende überhaupt in die Wertung gelangen wird, da beispielsweise die II. Mannschaft der Dessauer an diesem Wochenende bereits schon nicht mehr zu ihrer Landesligapartie antrat. Die Ungewissheit über den tatsächlichen Punktestand gehört wohl zur Spezifik dieser Liga, die zwar arm an Sponsoren ist, dafür aber reich an Präsidien, die sich beispielsweise der Einführung einer eingleisigen Oberligastaffel im Osten widersetzen, indem sie Argument ins Feld führen, die kleineren Oberligavereine würden dann in der Unterklassigkeit an mangelnden finanziellen Zuflüssen leiden. Wohin dieser Glaube an den angeblichen Gesundbrunnen zweigleisige Oberliga führt, erleben wir nun. Doch damit nicht genug. Den größeren, aufstiegsambitionierten Vereinen beschert diese Renitenz der grauen Mäuse nicht nur eine Vielzahl an sportlich zweifelhaften und die Zuschauer verschreckenden Duellen, sondern zwingt sie auch zum Vabanquespiel der Relegation, wo schlechte Tagesform oder Zufälligkeiten wie Verletzungen und Spielersperren darüber entscheiden, ob ein souverän errungener Staffelsieg am Ende völlig wertlos ist.
Über dieses Thema ließe sich bis in alle Ewigkeit diskutieren, ohne dass ein akzeptabler Schluss zu finden wäre. Ähnlich verhält es sich mit dem Problem der gleichklassig spielenden Amateurmannschaften der Bundesligisten. Man möge nur einmal einen Blick auf die aktuelle Tabellensituation der Bayernliga werfen, um eine Vorstellung zu gewinnen, was der Regionalliga-Südstaffel hier in den nächsten Jahren droht. Einem Zeissfan kann das im Moment relativ schnuppe sein, da der FCC nur am kommenden Spieltag einmal die Klinge mit einer Clubreserve kreuzen muss. Die hartgesottenen Groundhopper wird das ohnehin vor einem Trip an die Spree nicht abschrecken, ich ziehe jedoch einen einwöchigen Familienkurzurlaub ins Vogtland vor, da mich zudem die Fahrt zum Polenmarkt nicht lockt und ich auch sonst wenig Verlangen empfinde, dorthin zu reisen, wo man dem verflossenen Lausitzbriket durch die Zubereitung von Bratwürsten ein Denkmal setzt.
Ansonsten Entschuldigung für den späten Eingang meiner Nachbetrachtung (und gewisse Schussligkeiten bei Orthographie und Grammatik), aber ich war am Wochenende auf Achse. Vielleicht melde ich mich noch mal nach dem Neugersdorfmatch, wenn nicht, wünscht ich allen hier im Forum schon mal eine schöne Weihnachtszeit!
- A-Junioren-BL : FCC : Hertha BSC 2:0 - Tore : ET (Ackermann) , Stiefel
- ↑ Resultat wurde nach der Insolvenz von Dessau annulliert und ging nicht in die Tabelle ein.