2005/2006 17. Spieltag: FC Carl Zeiss Jena - VfB Lübeck 0:0
Spieldaten | |
Wettbewerb | Regionalliga, 17. Spieltag |
Saison | 2005/2006, Hinrunde |
Ansetzung | FCC - VfB Lübeck |
Ort | Ernst-Abbe-Sportfeld |
Zeit | 12.11.2005, 14:00 Uhr |
Zuschauer | 7.074 |
Schiedsrichter | Günter Perl (München) |
Ergebnis | 0:0 |
Tore |
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Aufstellungen
- Jena
- Christian Person
- Faruk Hujdurovic, Holger Hasse, Krzysztof Kowalik
- Alexander Maul (76.Fiete Sykora), Ronny Thielemann, Ralf Schmidt, Tobias Werner
- Torsten Ziegner
- Mark Zimmermann, Sebastian Hähnge
Trainer: Heiko Weber
- Lübeck
- Michael Frech
- Rouven Schröder, Dietmar Hirsch, Deniz Dogan
- Carsten Rump
- Kai Hesse (89.Jan Moritz Bruhn), Christian Möckel, Ibrahim Türkmen, Christian Streit
- Lars Kampf (76.Alexander Aischmann), Enrico Neitzel (65.Riza Karadas)
Trainer: Stefan Böger
Anmerkung
Tobias Werner wird in die Kickerelf des Tages gewählt .
Spielbericht
Vor dem Spitzenspiel gegen Lübeck sah ich die bei der Freudschen Psychoanalyse höchst umstrittene These vom Todestrieb ungeahnte Bestätigung finden, wenn auch nur in milder, abgewandelter Form. Jedenfalls scheint es bei Teilen des Jenaer Anhangs irgendwie eine Art Sehnsucht nach der Niederlage zu geben, anders erkläre ich mir nicht das innigliche Flehen, es möge doch bitte, bitte einen Dämpfer für den FC Carl Zeiss geben, damit das schaurige Gerede von Aufstieg und Zweiter Liga hoffentlich ein Ende fände. Sechs Siege am Stück, das wirkt unheimlich, das hat so gar nichts gemein mit dem vertrauten Zyklus aus Hoffnung und Enttäuschung, der unser Fanleben in den letzten Jahren bestimmte. Wir müssen wohl umdenken, so schwer das auch manchem fällt.
Und trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, kamen am Samstag 7000 Fans ins Stadion, um dem Spitzenspiel einen würdigen Rahmen zu verleihen. Beim Klassenprimus fehlten bekanntermaßen einige Stammspieler, was Stefan Böger prompt in die Rolle des Jammerossis gleiten ließ. Ungeachtet des Lübecker Kokettierens mit der Außenseiterrolle zeigten aber bereits die Anfangsminuten, dass der VfB, zumindest defensiv, ein Gegner von ganz anderem Kaliber ist als die jüngst im EAS zum Wohlgefallen der Heimfans in der Abwehr so betont unbeschwert auftrumpfende Borussia Banana aus Erfurt. Dem Spiel indes tat Lübecks strenggläubiges Festhalten am „Hauptsache zu Null“-Dogma ebenso wenig gut wie die Ansetzung des nicht überzeugenden Schiedsrichters Perl aus München. Der war in der 9. Minute zum ersten Mal gefordert, als sich im Lübecker Strafraum die Laufwege des VfB-Kapitäns Schröder und Zimmes so kreuzten, dass unser Stürmer zu Fall kam. „Ein klarer Elfer im Range eines mittelschweren Sittlichkeitsverbrechens“, urteilten die Heimfans, ein „Hhmm, kann man geben“, mutmaßten die Neutralen, während die Marzipanstädter unschuldig die Hände hoben, was sie denn dafür könnten, wenn Zimme gerade da lang läuft, wo einer der Ihren auch hin will.
Für den Richter über das Spielgeschehen galt die Unschuldsvermutung, womit er sich nicht zum letzten Mal den Unmut der Zeissfans zuzog, denn kurz darauf festigte er seinen Ruf als unverbesserlicher Hoyserist, als Lübecks Rump zur Verhinderung eines schnellen Jenaer Gegenstoßes Zimme (oder Werner?) von hinten in die Beine fuhr. To be or not to be on the ground, Gelb oder Rot, stand die Frage für alle Regelkundigen, jedoch nicht für Schiri Perl, denn der gab zwar Freistoß und drohte dem Lübecker vielleicht auch, im Wiederholungsfall gäbe es einen kleinen Klaps auf den Po, aber eine Karte zog er nicht, denn die schien sich Perl für den Fall offener Schienbeinbrüche oder fahrlässigen Erwürgens aufheben zu wollen. So meinte man zumindest beim heimischen Anhang, und sah sich doch wieder getäuscht, denn dem Schiri kam es in erster Linie darauf an, den richtigen Zeitpunkt für seinen Auftritt als gestrenger Richter zu wählen und so wartete Perl dann so lange, bis Ziegner kurz vor der Halbzeit bei einem Solo trotz Fouls von seinem Gegenspieler nicht gestoppt werden konnte und pfiff den Vorteil ab, um nach dem gelben Karton zu fingern.
Der war ihm in der 32. Minute, vermutlich eher unfreiwillig, schon mal aus dem Hemd gerutscht, als er eine Aktion des in der Anfangsphase ungeschoren davon gekommenen Lübeckers Rump ahndete, nachdem der VfB-Kämpe sich Ziegner geschnappt hatte, weil er wohl Jenas Kapitän noch nachträglich zum Geburtstag gratulieren wollte. So gab es denn Freistoß für den FCC und wie gewöhnlich sorgte sich Ziege um dessen Ausführung, wobei seine beste Tat bei dieser Szene darin bestand, Holger Hasse davon überzeugen zu können, sich diesmal nicht am Fünfmeterraum in Bereitschaft zu halten, um bei eventuellen Abprallern, wie gegen Erfurt, mit dem Kopf zur Stelle zu sein. Ziegners Freistoß landete alsdann in der Mauer und dass diese Spielsituation trotzdem Erwähnung findet, ist einzig dem Umstand geschuldet, dass Jena zwar die Partie bestimmte, es aber berichtenswerte Chancen ansonsten nicht gab, sieht man von einem das Gebälk knapp verfehlenden Kopfball Kowaliks (37.) ab und von jener Szene in der 23. Minute, als Sebastian Hähnge angesichts einer an Freund und Feind vorbeisausenden Eingabe am Fünfmeterraum Andacht hielt.
An diesem Bild änderte sich in der zweiten Hälfte nichts Grundlegendes. Die Lübecker Abwehr um ihren überragenden Kapitän Rouven Schröder ließ kaum etwas anbrennen und wenn doch, dann hatten sie ja noch ihren Torwart. So nutzte es nichts, dass Jena die Gäste nach der Pause kaum noch aus deren Hälfte kommen ließen und sogar Schiri Perl die Seiten wechselte und Entscheidungen zugunsten des FC Carl Zeiss traf, die mir ein verschämtes Grinsen entlockten. Auch Benno Webers Einwechslung von „FIIIETE“-Sykora änderte nichts mehr daran, dass Lübeck jenen einen Punkt über die 90 Minuten brachte, auf den die Marzipanstädter, ungeachtet Bögers vollmundiger Siegesankündigung, von Anfang aus zu sein schienen. Trotzdem konnte ich nicht unzufrieden sein mit meinem FCC, denn bis zum Schluss versuchte die Mannschaft alles, um einen Dreier einzufahren. Keiner bei Jena war ein Ausfall; aber es fand sich eben auch keiner, der in diesem Spiel noch ein paar Prozente mehr aus seinem Leistungspotential kitzelte. Um Lübeck zu schlagen, hätte ein Sebastian Hähnge nicht nur ordentlich, sondern so brillant und abgezockt wie in St. Pauli spielen müssen, dann hätte ein Torsten Ziegner sich nicht nur als gewohnt laufstarker Kämpfer sondern als genialer Spielführer zeigen müssen, dann hätten mehr Spieler den Mut haben müssen, sich solche Einzelaktionen zu trauen wie unser Kapitän bei seinem knapp am Pfosten vorbei streifenden Schuss in der 62. Minute, und dann hätte man zu guter Letzt wohl auch etwas Glück gebraucht, dass eben so eine Gurke wie der Ziege-Freistoß kurz vor Ende doch durch die Hosenträger des geblendeten Torwarts rutscht. Kurzum: Es hätte am Samstag nicht nur einer grundsoliden sondern einer überdurchschnittlichen Leistung bedurft, um Lübeck geschlagen nach Hause zu schicken.
Ungeachtet des torlosen Remis verdiente sich die Mannschaft die Standing Ovations zum Schluss. Zu Anfang der Saison hätte man solche Partie vielleicht noch vergeigt. Diesmal wars wenigstens ein 0:0 und die Art, wie es zustande kam, nährt die Hoffnung, dass man noch ein Weilchen die Rolle des Jägers der weidwunden Kieler und Lübecker spielen kann. Geschichten von „7 auf einen Streich“ mögen früher Eingang bei den Gebrüdern Grimm gefunden haben, für einen Liganeuling mit einem der kleinsten Etats mutet es heute wie ein Märchen an, dass Jena die Aufstiegsfavoriten aus dem Norden und Westen so lange ärgert, selbst wenn es gegen Lübeck nicht zu einem Dreier reichte. Aber man spielte eben auch gegen die beste Abwehr der Liga und nicht gegen irgendwelche Absteigerwäldler, bei denen die Gier nach der Roten Laterne wieder neu entfacht zu sein scheint.
Letzteres sollte Bennos Mannen am Dienstag aber nicht leichtfertig werden lassen, denn selbst wenn sich das Erfurter Wiedergutmachungs-Geschnatter bisher nur als ein Beitrag rot-weißer Folklore erwies, ist davon auszugehen, dass es gegen das Böse aus der verwunschenen Stadt für Jena nicht wieder so einfach wird wie vor 14 Tagen, schon allein der Eigengesetzlichkeit des Pokals wegen, dass die Kleinen gern die Großen ärgern und sich der RWE natürlich auf die Chance freut, durch ein achtbares Ergebnis im Duell gegen die Nummer 1 des Thüringer Fußballs von der Popularität des FC Carl Zeiss zu profitieren und den eigenen Verein damit über die Erfurter Stadtgrenzen hinaus bekannt zu machen.
--Al Knutone 14:56, 13. Nov. 2005