1987/1988 FDGB-Pokal Halbfinale: FC Carl Zeiss Jena - 1. FC Lokomotive Leipzig 4:3 n. E.
Spieldaten | |
Wettbewerb | FDGB-Pokal, Halbfinale |
Saison | Saison 1987/1988 |
Ansetzung | FC Carl Zeiss Jena - 1. FC Lokomotive Leipzig |
Ort | Ernst-Abbe-Sportfeld |
Zeit | Mi. 18.05.1988 16:30 Uhr |
Zuschauer | 7.000 |
Schiedsrichter | Siegfried Kirschen (Frankfurt/Oder) |
Ergebnis | 4:3 n. E. |
Tore |
Elfmeterschießen: |
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Programmheft |
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Aufstellungen
- Jena
- Perry Bräutigam
- Heiko Peschke
- Mario Röser, Thomas Ludwig, Jens-Uwe Penzel
- Michael Stolz (63. Stefan Böger), Steffen Zipfel (87. Oliver Merkel), Jürgen Raab, Stefan Meixner
- Henry Lesser , Ralf Sträßer
Trainer: Lothar Kurbjuweit
- Leipzig
- Rene Müller
- Matthias Lindner
- Frank Edmond, Ronald Kreer
- Uwe Bredow, Torsten Kracht, Olaf Marschall, Heiko Scholz
- Hans-Jörg Leitzke (75. Frank Baum), Dieter Kühn (55. Uwe Weidemann), Bernd Hobsch
Trainer: Hans-Ulrich Thomale
Spielbericht
Hier wie da das Hemd zerrissen
MODELLFALL. Von Fußball total, leidenschaftlich und stilvoll zugleich, waren wir 87/88 zu oft auf allen Ebenen abgenabelt. Für die 90 Minuten von Jena hätte man sich deshalb bei jedem Akteur einzeln bedanken mögen. Wer sich das Hemd zerreißt, den hält der Volksmund für einen Rackerer, Eiferer, Unermüdlichen. Hier wie da - sie waren es alle, einschließlich des EM-Form offerierenden Kirschen. "Bemerkenswert gutes Niveau, kaum zu glauben." Dieser Tenor beherrschte alle, Sieger wie Verlierer gleichermaßen.
RESPEKT. Die Halbfinalisten bezeugten ihn voreinander mit Leistung, fernab von kleinmütigem Taktieren. Und sie blieben in den Fairneßnormalitäten (15:24 Freistöße), die ja auch Härte zuläßt. Nichts da von Eifersüchteleien und Animositäten bei der anschließenden Pressekonferenz. Thomale zollte Lob ("Bewundernswerte Einstellung der Zeiss-Elf. Vor zwei Jahren waren wir die Glücklicheren im Elfmeterschießen, diesmal Jena"). Kurbjuweit artikulierte Hochachtung ("Lok bot 90 Minuten ein Auswärtsspiel von großer Klasse. Wir konnten den Cupverteidiger nur ausbooten, weil niemand ausfiel")
STILVORSTELLUNGEN. Nach dem Leipziger 0:0 um Punkte hieß Jenas Devise Powerplay! Es war Wagnis und Mut zum Risiko zugleich. "Angesichts der Stabilität in den letzten Wochen war unser Vertrauen groß", so Zeiss-Trainer Jürgen Werner. Sträßers Tor nach kapitalem Müller-Fehler - entweder klare Fußabwehr oder mit dem Körper auf den Ball! - stellte psychologische Weichen. Aber die Messestädter antworteten. Nicht hektisch, vielmehr spieltechnisch überzeugend. Bredow, Scholz, Weidemann und Marschall kombinierten in der Kulminationsphase der Begegnung den Ausgleich heraus, als wäre das ein Kinderspiel - leichtfüßig, elegant, überlegt!
BEDEUTUNG. Jena blickte über Lok und Berliner Endspiel schon auf den kommenden EC II hinaus (so der BFC seinen Titel verteidigt). Was Wunder, daß im Abbe-Sportfeld EC-Atmosphäre vorherrschte. Auf die achte Finalteilnahme nach dem letzten Triumph von 1980 im Thüringen-Finale gegen Erfurt (3:1 n.V.) waren die Zeiss-Städtzer förmlich eingeschworen. Tradition (´60, ´72, ´74 und ´80 Gewinner) ist schließlich keine Worthülse, sie verpflichtet! Im gleichen Spannungsfeld operierte Lok. An der Schwelle eines Pokal-Hat-Tricks zeigten die Messestädter, wie ihre EC II - Finalteilnahme 1987 im Wiener Prater möglich war. Zötzsche und Liebers, gesperrt und verletzt, hätten die Dynamik in Jena noch erhöhen können. "Das Ausscheiden schmerzt", von Peter Gießner bis Horst Scherbaum, von Frank Baum bis Olaf Marschall war diese Aussage verständlich.
NERVENSPIEL. Jena mit dem dreifachen Elfmeter-"Töter" Brräutigam ("Dieses Erlebnis haben wir gebraucht") bestand es besser und glücklicher. Für den Einzug in die VIP-Suite des internationalen Klubfußballs ließen beide Klubs freilich zu viele Chancen aus. Dieser Hinweis sei mir gestattet.
(Günter Simon in die "Die Neue Fussballwoche" vom 25. Mai 1988)
Mit den Pfunden muß man wuchern
Zeiss-Trainer Lothar Kurbjuweit zeigte Zeiss-Mentalität: Freude nach innen! "Über diesen Sieg hinaus veranschlage ich den 3. Platz von 1986 in der Meisterschaft genauso hoch ein." Auch er sah Raab und Meixner als die Initialzünder, die ideenreichen Regisseure. "Meixners Ballannahme und Pässe verrieten seine große Begabung, wenn nur immer so", fügte Kurbjuweit hinzu. In der 2. Halbzeit spürten jedoch auch sie, welche motorischen Kräfte bei Lok durch Scholz, Lindner (drei, vier knallharte Distanzschüsse) und Marschall freigelegt wurden. Individualisten mit Überzeugungskraft!
"Versucht haben wir alles! Schließlich boten wir ja sogar fünf Stürmer auf", resümierte Lok-Vorsitzender Peter Gießner. Es war ein Tag, an dem Jenaer wie Leipziger mit ihren Pfunden wucherten. Das läßt für die Zukunft hoffen.
In der Brust von Andreas Krause nisteten Freude und Wehmut zugleich. Die Zeiss-Akteure umarmten auch ihn, den alten Kämpen, er selbst vergaß nicht die operative Kunst von Ex-Lok-Mannschaftsarzt Dr. Theo Barth zu loben. Der Heilungsprozeß nach dem komplizierten Schienbeinbruch macht gute Fortschritte.
Übrigens: Die Torwart-Denkmäler (Müller, Weißflog, Rudwaleit) bekommen Konkurrenz - von Bräutigam zum Beispiel. Gut so!
(Günter Simon in die "Die Neue Fussballwoche" vom 25. Mai 1988)