1988/1989 ECII 3. Spiel: FC Carl Zeiss Jena - Sampdoria Genua 1:1
Spieldaten | |
Wettbewerb | EC II, 2. Runde Hinspiel |
Saison | Saison 1988/1989 |
Ansetzung | FC Carl Zeiss Jena - Sampdoria Genua |
Ort | Ernst-Abbe-Sportfeld |
Zeit | Mi. 26.10.1988 17 Uhr |
Zuschauer | 13.500 |
Schiedsrichter | Bo Karlsson (Schweden) |
Ergebnis | 1:1 |
Tore | |
Andere Spiele oder Berichte |
Aufstellungen
- Jena
- Perry Bräutigam
- Heiko Peschke
- Mario Röser, Thomas Ludwig
- Stefan Böger, Michael Stolz, Steffen Zipfel (80. Mathias Pittelkow), Jürgen Raab (73. Henry Lesser), Jens-Uwe Penzel
- Heiko Weber, Ralf Sträßer
Trainer: Lothar Kurbjuweit
- Genua (Originalstreifen = weiß-schwarz-rot-weiß)
- Gianluca Pagliuca
- Pietro Vierchowod
- Marco Lanna (89. Fulvio Bonomi), Moreno Mannini
- Guiseppe Dossena, Fausto Pari, Toninho Cerezo, Victor Munoz, Amedeo Carboni
- Gianluca Vialli, Roberto Mancini
Trainer: Vujadin Boskov
Spielbericht
Ungebrochener Angriffsmut
Atemlose Stille im weiten Rund: Sollte der Anfang gleichbedeutend mit einem frühzeitigen Ende sein? Im Stil von 100-Meter-Sprinern mit dem Ball am Fuß durch die Zeiss-Abwehr ziehend, hatten der aus der Libero-Position drängende Vierchowod sowie der listige, auch danach noch oft im Rücken der Abwehr auftauchende Dossena schon in den ersten 3(!) Minuten zwei faustdicke Chancen vor ihren Füßen. Zum Glück für Jena reagierte jener Mann, der auch später bei ähnlichen überfallartigen Attacken sein Format im instinktsicheren Lösen von der Linie bewies, ohne Fehl und Tadel: Perry Bräutigam. Doch weit gefehlt, der Gastgeber würde sich schrecken, ins Bockshorn jagen lassen. Er nahm, wie es Klubvorsitzender Wolfgang Blochwitz ausdrückte, "die Herausforderung an, einen vor Selbstbewußtsein förmlich strotzenden Kontrahenten zu bespielen und zu bekämpfen".
Über Klasse, sprich Homogenität und individuelle Ausstrahlungskraft, des mit neun Nationalspielern besetzten Gegners von vornherein absolut im klaren, schöpfte der FCZ schnell Mut und Siegeszuversicht. Er spürte dabei jedoch stets die Faust im Nacken. Denn: Mut zum Risiko in der Angriffsgestaltung mußte jederzeit mit der Erkenntnis übereinstimmen, daß Spieler wie Vialli, Mancini, der auch nach 90 Minuten noch nicht um Luft ringende Victor oder Carboni in der Rolle des ständigen Tempoläufers über die linke Seite nur darauf lauerten, gleich Speerspitzen in entblößte Räume vorzuprellen und dort tödliche Gefahr zu schaffen. Das hieß für die Zeiss-Städter, wie es Trainer Lothar Kurbjuweit später präzisierte, "den beiden Spitzen keinen Millimeter Entfaltung zu lassen, sie gewissenhaft abzusichern, gegnerische Überlegenheit in der durchgehend demonstrierten Antrittsschärfe und Geschmeidigkeit nicht entscheidend zum tragen kommen zu lassen". Jena machte diese Gedankengänge ungeachtet aller erst allmählich zu lösenden Probleme in der taktischen Verhaltensweise schließlich zum Gesetz eigenen Handelns. Mit Fighterqualitäten, unerschrockenem Einsatz und einem bemerkenswert hohen Maß an Mut, das Deckungskonzept bei Ballbesitz aufzulockern, möglichst viele Akteure in den Angriffsrhythmus einzubeziehen, als tragenden Säulen. Und Schwerpunktbildungen auf beiden Flanken (Böger/Stolz sowie Raab/Penzel) gehörten zum erfolgversprechenden Repertoire.
"So war", wie auch Roland Ducke als EC-erfahrener Spieler der Zeiss-Städter mit insgesamt 23 Einsätzen und drei Treffern schon zur Halbzeit anerkannte, "das 1:0 durch Weber Verdienst einer lang anhaltenden Druckphase, in der Genua nur noch sporadisch Konterattacken inszenieren konnte". Auch und vor allem deshalb, um es an dieser Stelle gebührend herauszustreichen, weil Röser und Ludwig die Klasse ihrer unmittelbaren Gegenspieler Mancini und Vialli mit respekteinflößender Schärfe und Konsequenz ohne jegliche Fouls total ignorierten, sie regelrecht in die Schranken wiesen.
Hier traten in der Abstimmung keinerlei ernst zu nehmende Probleme auf, doch im Mittelfeld war Sampdoria dank hervorragender Aufgabenteilung zwischen Fleißspielern wie Victor und Pari sowie Akteuren mit zündenden Ideen (Dossena, Cerezo) auf die Dauer nicht einzugrenzen. Diese Trumpfkarten stachen, wenngleich der nur durch Strafstoß-Verwandlung erzielte Ausgleich ganz offensichtlich unter der Würde der Mannschaft lag. Sie hatte sich mehr erhofft, wie Trainer Vujadin Boskov bekannte und zwei Gründe dafür ins Feld führte: "Die hohe Moral des auch physisch nicht zu schwächenden Gegners, zum anderen eigene Unzulänglichkeiten beim Spiel in die Tiefe." Wobei, was vertane Chancen anbelangt, Dossena am meisten sündigte.
Bis zur letzten Minute vom festen Vorsatz beseelt, "keine Sorglosigkeiten zuzulassen, die von den cleveren Spielern Genuas sofort gewittert und bestraft werden", wie Verbandstrainer Harald Irmscher konstatierte, versuchte die Elf den allmählichen Leistungsschwund auf der einen oder anderen Position (Weber, Sträßer, Stolz) immer wieder zu kompensieren. Daß Durchschlagskraft, Spielsicherheit darunter litten, lag auf der Hand. Aber den FC Carl Zeiss entmutigte das nicht.
(Dieter Buchspieß in "Die Neue Fussballwoche" vom 1. November 1988)