2003/2004 Vorbericht: Thüringischer Landespokal Finale FC Carl Zeiss Jena - FC Rot-Weiß Erfurt II
Saison 2003/2004
Thüringischer Landespokal - Vorbericht - Finale
Am Mittwoch ist es wieder soweit: Die Mutter aller Schlachten geht in eine neue Runde. Dass es überhaupt zu einem Finale im Thüringer Vereinspokal kommt, konnte vor einem knappen Jahr noch nicht als sicher gelten, denn nach dem Pokalausschluss der 1. Erfurter Mannschaft drohte zwischen dem beleidigtem TFV-Vorstand und dem RWE ein Wettstreit der Albernheiten auszubrechen. In dessen Ergebnis hätte hinter sämtlichen Begegnungen im Thüringer Vereinspokal der nächsten Jahren so lange die Frage nach ihrer Zulässigkeit gestanden, bis mutmaßlich der Europäische Gerichtshof in Strasbourg über das Menschenrecht auf Teilnahme des RWE an diesem Wettbewerb entschieden hätte. Zum Glück blieb uns eine solche Lächerlichkeit erspart, was einem lichten Augenblick des damals neu ins Amt gekommenen Erfurter Präsidenten Veikko Fromberger zu danken ist und ihn offenbar zur Entscheidung bewog, den drohenden Weg durch alle Instanzen nicht weiter zu verfolgen. Solch ein Anflug von Realitätsbezogenheit blieb erwartungsgemäß in Erfurt ein singuläres Ereignis, denn Herr Fromberger musste schnell zur Kenntnis nehmen, dass man damit innerhalb der rotweißen Vereinsführung auf sich allein gestellt ist. Folglich trat er von seinen Amt zurück, um wieder Platz zu machen für die Phalanx jener Leitensdorfers und de Buhrs, die sich der götzenhaften Anbetung von Tipper, Großfunzel und Co. gewiss sein können.
Also heißt es jetzt wieder: ‚Same procedure as every year!‘ Bei Jena gibt es traditionell zum Saisonende lange Gesichter, weil das Primärziel Aufstieg mal wieder verpasst wurde. Der Spielort ist abermals der gleiche, denn man kehrt zurück in jene verwunschene Ecke Thüringens, wo man den rotweißen Bauernfängern bereitwillig auf den Leim geht. Die Anstoßzeit ist auch wieder so gelegt, dass die ThFV-Funktionäre ihren Rausch vom Frühschoppen in Ruhe ausschlafen können und trotzdem pünktlich zur Happy hour wieder daheim sind. Nur die Spielpaarung variiert um Nuancen, denn diesmal ist es die 2. Erfurter Mannschaft, die sich dem FCC entgegenstellt, was aber nicht heißen muss, dass Jena am Mittwoch in Gotha ein Selbstläufer erwartet, denn wenn es etwas gab, was man in den Vorjahren hinsichtlich der Partien Jena gegen Erfurt konstatieren konnte, so war es die relative Ausgeglichenheit zwischen beiden Mannschaften. Selbst die Intelligenteren der Rotweiß-Fans werden wohl kaum widersprechen, dass ein Klassenunterschied zwischen dem Regional- und dem Oberligisten nicht feststellbar war. Das Böse hatte gewiss die größeren Spielanteile und besseren Chancen, aber Erfurt brillierte nicht oder spielte Jena gar an die Wand. Rotweiß hatte allerdings ein Plus in der Summe der individuellen Stärke der Einzelspieler, was spät, aber folgerichtig zum Erfolg führte.
Deutlich wurde das im letzten Jahr bei zwei Szenen. In der einen hatte Steven Sonnenberg Mitte der 2. Halbzeit die Riesenchance zur Jenaer Führung, als er nach einem Erfurter Abwehrfehler überraschend frei im Strafraum an den Ball kam, jedoch bis zum Abschluss zu viel Zeit brauchte, so dass Twardzik im RWE-Kasten retten konnte. In einer anderen Szene fiel in der Verlängerung auf der Gegenseite das Erfurter 1:0. Eniz Dzihic war im Fünfmeterraum angespielt worden, stand jedoch mit dem Rücken zum Tor, hinter sich einen Jenaer Verteidiger. Im Gegensatz zu Sonnenberg, der sich bei seiner Chance erst redlich mühen musste, den Ball zu stoppen, ihn dann unter Kontrolle zu bringen und anschließend aufs Tor zu marschieren, ließ Dzihic das Leder nur kurz abtropfen, täuschte links, täuschte rechts, streckte den Hintern raus und verlud damit Schwabe, so dass er aus der Drehung schießend Berbig keine Chance ließ. DAS war er, der Unterschied zwischen dem Dritt- und dem Viertligisten, und so kam Erfurt verdient zu seinem vierten Pokalsieg in Folge.
Diesmal steht das Vorzeichen umgekehrt, denn der FCC ist das Team, das gegen einen unterklassigen Gegner eine Blamage verhindern muss. So wie Jena in den Vorjahren wird es auch die Reserve der Erfurter nicht an Einsatz mangeln lassen, die Rotweißen werden technisch beschlagen und taktisch gut eingestellt sein. Der Schlüssel zum Erfolg für den FC Carl Zeiss wird also darin liegen, genauso engagiert zur Sache zu gehen und dabei gleichzeitig das Plus bei der individuellen Stärke der einzelnen Spieler zur Grundlage des Erfolges werden zu lassen. Was der eigenen FCC-Reserve vor Wochen mit einem Sieg gegen die II. Mannschaft der Erfurter gelang, sollte man von Treitl und Co. allemal erwarten dürfen. Gelingt dass, wird die Tradition Bestand haben, dass immer die höherklassige Mannschaft den Pokal gewinnt.
Etwas jedoch wird diesmal definitiv anders sein, denn auf Erfurter Seite wird einer fehlen, der sich beim letzten Thüringenpokalfinale noch nachhaltig in den Vordergrund spielte: Benkert-Busse-Heun-Iffarth-Romstedt-Vlay, jener im Ergebnis konsequenter rotweißer Inzucht entstandene Homunkulus, der als ideale Verkörperung Erfurter Tugenden gelten kann. Zur vorsorglichen Abwehr hartnäckiger Nachfragen verbreitete man früher am Steigerwald zwar über ihn, er hieße in Wirklichkeit Szewczuk und käme aus Polen, was natürlich eine freche Lüge ist und mich nicht blenden kann. Psychotisch bis ins Mark erfüllte er im letzten Jahr vorzüglich die in ihn gesetzten Erwartungen: Alles umhacken, was ein Trikot mit dem Jenaer Zeichen trägt. Lange hatte er auf diese Chance warten müssen, vermutlich zu lange, denn als er 13 Minuten nach seiner Einwechslung ans Seitenaus beordert wurde, damit man ihm den Schaum von den Lefzen wischen konnte, verbiss er sich in höchster Erregung in die eigenen Betreuer und musste schweren Herzens wieder vom Feld genommen werden, obwohl er vorher gehorsam sein Werk verrichtete. Des Winters las ich nun, dass man sich in Erfurt ganz von ihm trennte. Man schaffte es wohl doch nicht, ihm auch noch beizubringen, wie man brav das Bällchen apportiert; das wäre auch ein Wunder bei seinen Erbanlagen, und so verrichtet die arme Kreatur jetzt sein frevliges Werk beim 1. FC Bocholt; wahrlich ein eigenartiger Name für eine RWE-Verwahranstalt. Schade drum, aber er hat ja in Hebestreit und Co. würdige Nachfolger gefunden, aus deren Reihen die Zweite Mannschaft der Rotweißen sicher Verstärkung erhalten wird; ich tippe mal auf Neitzel für den Sturm und Okic fürs Mittelfeld.
Auch wenn ich selbst angesichts des tollen Termins nicht nach Thüringen fahren kann, hoffe ich, dass sich trotz aller Enttäuschungen der letzten Wochen ein paar Zeissfans am Mittwoch auf den Weg nach Gotha machen und die Mannschaft bei ihrem Vorhaben unterstützen, die Saat des Bösen zu zertreten, bevor sie zu keimen beginnt. Die Folgen einer weiteren Jenaer Pleite dort mag ich mir besser nicht ausmalen, aber ich denke mal, dass jeder Spieler im Falle einer Endspielniederlage bereits am Donnerstagmorgen einen großen Strauß eigenartig verfärbter Blumen auf seinem Platz findet würde, die jemand aus dem Intershop-Tower mit dem nett gemeinten Ratschlag ins EAS gesendet hat, die Blütenpracht wäre eigentlich zu schade, um sie bis zum Verwelken in einer Vase stehen zu lassen; die Kicker sollten doch ruhig ein wenig damit spielen.
--Al Knutone, 27. Apr. 2004