1963/1964 05. Spieltag: SC Dynamo Berlin - SC Motor Jena 5:2
Spieldaten | |
Wettbewerb | DDR-Oberliga, 5. Spieltag |
Saison | Saison 1963/1964, Hinrunde |
Ansetzung | SC Dynamo Berlin - SC Motor Jena |
Ort | Dynamo-Sportforum in Berlin |
Zeit | So. 29.09.1963 15:30 Uhr |
Zuschauer | 1.500 |
Schiedsrichter | Erhard Müller (Kriebitzsch) |
Ergebnis | 5:2 (0:2) |
Tore | |
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Aufstellungen
- Berlin
- Willi Marquardt
- Dieter Stumpf, Werner Heine, Martin Skaba
- Waldemar Mühlbecher, Bernd Hofmann
- Wilfried Klingbiel, Hermann Bley, Joachim Hall, Edmund Nebeling, Rainer Geserich
Trainer: Fritz Gödicke
- Jena
- Harald Fritzsche
- Hans-Joachim Otto, Diethard Stricksner, Siegfried Woitzat
- Peter Rock, Heinz Marx
- Dieter Lange, Helmut Müller, Peter Ducke, Erwin Seifert, Roland Ducke
Trainer: Georg Buschner
Spielbericht
Unglaubliche, sensationelle Wendung / In fünf Minuten wurde der Meister aus allen Träumen gerissen
Was sich an diesem Regensonntag der spärlichen Zuschauerkulisse im Dynamo-Sportforum in der zweiten Halbzeit bot, vornehmlich im Zeitraum von fünf Minuten zwischen der 63. und 67. Minute, darf schon fast den Anspruch darauf erheben, dem Bereich der Fabel zuzugehören. In dieser Spielphase wurde wieder einmal mehr bewiesen, daß es mit der Logik im Fußball ein eigen Ding ist, daß alles, aber auch tatsächlich alles - im wahrsten Sinne des Wortes - radikal auf den Kopf gestellt zu werden vermag: Und eigentlich dürfen wir darüber froh genug sein, weil halt das immer wieder belebende Moment der sensationellen Wendung in hohem Maße den Reiz unseres Spiels ausmacht. Ob diese Worte den Spielern des Meisters allerdings wie Musik in den Ohren klingen werden, ist kaum anzunehmen. Das Gegenteil dürfte vielmehr der Fall sein.
Einfach fassungslos, schockiert und deprimiert wie wohl schon lange nicht mehr, mußten sich die Jenaer schließlich mit einer Niederlage abfinden, deren Deutlichkeit für sich spricht: Und das nach einer ersten Halbzeit, in der die Thüringer ihre überlegene spielerische Klasse in ein wohlabgewogenes, technisch gekonntes und zielstrebiges Kombinationsspiel einmünden ließen, dem der SC Dynamo auch nicht annähernd Gleichwertiges entgegenzusetzen hatte. 45 Minuten prägte der SC Motor das Spiel, beließ er den Berlinern keine Möglichkeit, sich gefällig und torgefährlich in Szene zu setzen. Stricksner, Woitzat, Rock und Marx nahmen dem Dynamo-Angriff jeglichen Bewegungsraum, ließen seine Konzeptionslosigkeit und Harmlosigkeit deutlich zutage treten. Erschreckend zugleich die Unsicherheiten im Stellungsspiel und im kompromißlosen Unterbinden der Jenaer Angriffszüge durch die Dynamo-Abwehr.
Was dazu noch an schlechtem, miserablem Abspiel geboten wurde, mußte einfach bewirken, daß jeder eigene konstruktive Spielaufbau unterblieb und zum anderen der Initiative des Jenaer Angriffs ständig neue Nahrung gegeben wurde. Vornehmlich über Roland Ducke, Müller und Lange, wirkungsvoll unterstützt vom offensiven Rock, inszenierten die Jenaer gefährliche Kombinationsfolgen, geizten auch nicht mit scharfen, plazierten Torschüssen, so daß Marquardt mehrfach Gelegenheit geboten wurde, sein Können unter Beweis zu stellen. Die Berliner hatten jedenfalls bis zum Pausenpfiff nicht die Spur einer Chance, dem SC Motor Paroli zu bieten. Und derjenige, der in der Halbzeitpause etwa gegenüber der Dynamo-Elf in Optimismus gemacht hätte, dürfte sicher gewesen sein, als blutiger Laie, blinder Tor und dergleichen mehr abgetan zu werden. Die Zeichen des Spiels standen eben auch derart eindeutig gegen die Berliner, daß eine Wendung des Geschehens in keiner Weise vorauszusehen war. Und doch kam sie: Mit solcher Vehemenz und Wirkung, daß es uns fast den Atem verschlug. Urplötzlich schienen bei Mühlbächer, Skaba, Bley, Klingbiel, Geserich und vor allem bei Mittelstürmer Hall verborgene Kräfte frei zu werden, sich Energien zu entladen, die Jenas Abwehr hinwegfegten.
Mit Unterstützung des noch immer starken Windes betonten die Berliner jetzt ein rasantes Flügelspiel, rissen Klingbiel und Geserich die Motor-Abwehr auseinander und schufen so die Lücken für Hall, der sich immer wieder trickreich gegen Stricksner und Marx durchsetzte und jede Blöße kaltschnäuzig bestrafte. In fünf Minuten wurde der schon wie ein souveräner Sieger aussehende Meister erbarmungslos aus seinen Träumen gerissen, knallten Hall und Mühlbächer Torwart Fritzsche vier Bälle ins Netz, an die der Jenaer sicher noch lange denken wird! Wie gewonnen, so zerronnen war Jenas sichere Vorpausenführung in wenigen Minuten, aus den Händen ein Spiel, das dann nur noch der SC Dynamo diktierte. Er tat es nun sicher, gekonnt und einfallsreich, aber er wird auch gut beraten sein, seine ungenügende Leistung der ersten Halbzeit nicht völlig aus seinen Gedanken zu verbannen, vielmehr die entsprechenden Schlußfolgerungen für die kommenden Begegnungen daraus zu ziehen.
(Günter Simon in "Die Neue Fussballwoche" vom 1. Oktober 1963)
Reserven : 0:1 - Jena : Blüher ; Ahnert , Eglmeyer , Hergert ; Krauß , Werner ; Urban , Mahler , Kirsch , Röhrer , Polywka - Tor : Röhrer (F)