1982/1983 ECIII 2. Spiel: Girondins Bordeaux - FC Carl Zeiss Jena 5:0
Spieldaten | |
Wettbewerb | EC III, 1. Runde Rückspiel |
Saison | Saison 1982/1983 |
Ansetzung | Girondins Bordeaux - FC Carl Zeiss Jena |
Ort | "Stade Municipal" in Bordeaux |
Zeit | Mi. 29.09.1982 |
Zuschauer | 25.000 |
Schiedsrichter | D´Elia (Italien) |
Ergebnis | 5:0 |
Tore |
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Aufstellungen
- Bordeaux (weiß-schwarz)
- Richard Ruffier
- Marius Trésor
- Jean-Christophe Thouvenel, Léonard Specht, François Bracci
- Jean Tigana, Rene Girard, Alain Giresse, Caspar Memering (80. Raymond Domenech)
- Dieter Müller, Bernard Lacombe (75. Antoine Martinez)
Trainer: Aimé Jacquet
- Jena (blau-weiß/blau)
- Hans-Ulrich Grapenthin
- Rüdiger Schnuphase
- Gerhardt Hoppe, Konrad Weise, Uwe Pohl (60. Matthias Kaiser)
- Stefan Meixner (60. Jörg Burow), Jürgen Raab, Andreas Krause, Lothar Kurbjuweit
- Andreas Bielau, Martin Trocha
Trainer: Hans Meyer
Spielbericht
Die Bordelesen im WM-Rausch
So alt wie der EC, so alt sind in ihm extreme Resultate. Bei anderen nehmen wir sie ohne größere Gefühlsbewegungen zur Kenntnis. Treffen sie uns selbst, liegt zwischen Verständnis und Entrüstung ein weites Feld. Uns muß es jedoch um Einsichten gehen, und sind sie noch so schmerzlich.
3:1 daheim, 0:5 auswärts - wie verträgt sich das? Eigentlich gar nicht, oder doch? Also muß aufgetischt werden, was notwendig ist.
In Jenas großen EC-Tagen, als renommierter Konkurrenz im Abbe-Sportfeld das Fell über die Ohren gezogen wurde, kämpften sich die Thüringer zumeist bravourös in stilvollen Fitneßfußball hinein, dem es dann auch an spielerischer Überzeugungskraft nicht mangelte. Sie vermochten sich in 76 EC-Spielen auch international Respekt zu verschaffen. Heute, obgleich Oberliga-Spitzenreiter (!), weist die Elf keinen guten internationalen Standard mehr vor (wie alle anderen DDR-EC-Teilnehmer auch nicht). Das zu leugnen, wäre pure Heuchelei.
In unserer A-Auswahl ticken schon Schnuphases und Trochas Uhren sehr unterschiedlich. Die von Weise, Grapenthin, Kurbjuweit sind abgelaufen. Ganz anders bei Bordeaux. "Girondins Asse sind für mich nach wie vor erste Wahl in den kommenden Länderspielenund für die EM ´84", sagte mir Michel Hidalgo, Trainer des WM-Vierten, nach der rauschenden Ballnacht der Bordelesen.
Das war der Unterschied, der ein 0:5 weniger als Debakel in die Öffentlichkeit rückt, denn als einzukalkulierende Möglichkeit: Frankreichs Tabellendritter, systematisch mit erstklassigen Spielern des In- und Auslandes verstärkt, war auf jeder Position besser besetzt, teilweise in Form des Klassenunterschiedes (nur Grapenthin nehme ich gegenüber Ruffier aus, so paradox das beim 0:5 auch klingen mag)! Wer nicht wahrhaben will, aus welchen Gründen auch immer, daß zwischen Spielern wie Pohl, Hoppe, Kaiser, Meixner, Burow, Bielau (oder Schilling, Kahnt, Steinborn) und der Girondins-Auswahlgarde eine tiefe Kluft in allen technischen und taktischen Belangen existierte, dem ist nicht mehr zu helfen.
Bei Girondins wird das Mannschaftsprofil nach dem Prinzip Können=Klasse, Teamwork durch hohes individuelles Niveau vervollkommnet. In Jena. wo es an Fleiß, Hingabe, Trainingsintensität, Willen und Kampfmoral noch nie mangelte, müssen Meyer und Stein heute vor allem darum bemüht sein, zunächst das individuelle Leistungsgefälle in der Mannschaft abzubauen, um dann spielerische Kontinuität sichtbar zu machen. Eine bittere Wahrheit? genau.
"Unsere Offensive war so ausgelassen wie die Samba Brazil", strahlte Alain Giresse. In der Tat: In Jena nur in Ansätzen, im "Municipal" jedoch wandelten die Franzosen in spanischen WM-Pfaden! "An diesem Abend hätte sie vermutlich keine europäische Mannschaft gestoppt, auch bei größerer Gegenwehr nicht", erklärte UEFA-Beobachter Gilbert Droz (54, 14 A-Länderspiele) aus der französischen Schweiz, fasziniert von der attraktiven Gala-Show der Gastgeber.
In einem wahren Feuerwerk von präzisen Steil- und Kurzpässen, von Solis und Doppelpässen erspielten sich die Bordelesen ein Dutzend Chancen, Jena durch kraftaufwendige und dazu noch signalisierte Konter höchstens zwei.
Ein verlorenes Spiel - und wenn die Niederlage und ihr Zustandekommen noch so verheerend waren - kann Jenas Fußball nicht in Frage stellen. Aber was fast allen Zeiss-Akteuren an Technik, Ballgefühl, situationsgerechtem Verhalten abging, ist kaum zu beschreiben. Dieser Zustand muß unbedingt neue Überlegungen (in Bezug auf Ausbildungspraktiken und Schwerpunktbildungen) provozieren. Wenn nicht, werden wir halt in Extremresultaten verbleiben, in Ernüchterungen, so bitter wie Galle.
(Günter Simon in "Die Neue Fussballwoche" vom 5. Oktober 1982)