1934/1935 Endrunde DM 5. Spieltag: 1. SV Jena - VfB Stuttgart 2:3
Spieldaten | |
Wettbewerb | Endrunde Deutsche Meisterschaft, 5. Spieltag |
Saison | Saison 1934/1935, Rückrunde |
Ansetzung | 1. SV Jena - VfB Stuttgart |
Ort | Mitteldeutsche Kampfbahn in Erfurt |
Zeit | 19.05.1935 |
Zuschauer | 10.000 |
Schiedsrichter | Albert Best ( Frankfurt/M) |
Ergebnis | 2:3 |
Tore |
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Andere Spiele oder Berichte |
Aufstellungen
- Jena
- Paul Günther
- Walter Hädicke, Kurt Ketteritzsch
- Fred Harthaus, Heinz Kleinsteuber, Heinz Werner
- Walter Bachmann, Hermann Schüßler, Bernhard Schipphorst, Wolfgang Richter, Kind
Trainer: Josef Pöttinger
- Stuttgart
- Oskar Kapp
- Franz Seybold, Eugen Weidner
- Heiner Buck, Hermann Hahn, Gustav Rebmann
- Otto Bökle, Erwin Haaga, Erich Koch, Alfred Lehmann, Willi Rutz
Trainer: Fritz Teufel
Spielbericht
Der 1.SV Jena ist ausgeschieden
Da habe ich also mit meinem Tip vor 14 Tagen , daß der Sieger in der Gruppe III 1.SV Jena heißen würde , Schiffbruch gelitten . Man möge mich ob meiner Voreiligkeit einen engstirnigen , ja meinetwegen verbohrten Lokalpatrioten schelten . Ich halte trotzdem jetzt mehr denn je nach Studium der Spielweise und - stärke der in der Gruppe III beteiligten Mannschaften eisern an meinem Urteil fest , daß der Meister des Gaues Mitte unter normalen Verhältnissen keinen seiner Kontrahenten zu fürchten braucht . Man möge bitte nicht außer Acht lassen , daß Jena in keinem seiner Spiele seine tatsächlich stärkste Elf zu stellen vermochte . Nur zwei falsche Spekulationen unterschoben sich bei meinem Tip : Ich rechnete mit dem Mitwirken des verletzten Mittelstürmers König in den letzten beiden Spielen , wodurch die Schlagkraft Jenas glatt um 50 Prozent gehoben werden würde , und ich dachte nicht , daß die elf Thüringer Jungen , die ja doch die sichere , beruhigende Hand ihres verdienten Trainers Pöttinger fühlen mußten , so außer Rand und Band geraten würden , wie es heute in dem entscheidenden Spiel gegen die Württemberger in der ersten Halbzeit der Fall war .
Die Nervenprobe hat Jena nicht bestanden . Welch wirres Durcheinander herrschte in der ersten Halbzeit in all seinen Reihen ! Da war Jenas Spiel gegen Fürth , das doch wahrlich hart kritisiert wurde , pures Gold dagegen ! Sogar so alte Routiniers wie Werner , Hädicke und Ketteritzsch blieben von jener überhasteten Eile und nervösen Ballkontrolle nicht verschont . Und es bestand von vornherein doch wirklich kein Grund hierzu , denn das Spiel ließ sich für Jena recht vielverheißend an . Kind ließ gleich in der ersten Minute eine Bombe los , daß Kapp sicherlich ein recht unbehagliches Gefühl überrieselt haben mag . Auch noch danach hatten die ganz prächtigen Verteidiger Weidner und Siebold , die sogar die anerkannt guten Verteidiger Hädicke und Ketteritzsch übertrafen , bange Minuten zu überstehen . Aber dann ging mit einem Schlage die Leistungskurve steil abwärts , als in der fünften Minute der Goalgetter Bökle mit einer Steilvorlage seinen etwas übertrieben defensiv spielenden Mittelläufer Buck in jähem Start davonschoß , Werner stehen ließ , den zu weit aufgerückten und zu unbeherrscht angreifenden Hädicke mit einer jähen Wendung ins Leere rutschen ließ , mit stoischer Ruhe den verzweiflungsvoll heraushechtenden Günther passierte und mit vollendeter Sicherheit den Ball seinem Bestimmungsort übergab . Vielleicht hätte sich Jena doch früher wiedergefunden , wenn eine Flanke des schußkräftigen Kind , die der bienenfleißige Schipphorst mit dem Kopf nach dem gegnerischen Tor weiter verlängerte , zum Ausgleich geführt hätte . Da aber stand Stuttgarts bester Mann , der fabelhafte Verteidiger Weidner , und wehrte auf der Torlinie mit weitem Schlage kraftvoll ab . Von der schier unglaublichen Kopflosigkeit Jenas , was sich vor allem im Deckungssystem geradezu verheerend auswirkte , zeugte das von Stuttgart nach viertelstündigem Spielverlauf erzielte zweite Tor . Rechts , in Höhe der Jenaer Strafraumgrenze , machte Koch Einwurf zu Rutz , der wurde kaum ernstlich bedrängt , so daß er mit Akkuratesse den wenige Meter vorm Tore frei stehenden Bökle den Ball zuschieben konnte , der dann auch nicht lange fackelte . Kleinsteuber , der gegen das Fürther Spiel nicht zu erkennen war ( im negativen Sinne ! ) , und Ketteritzsch standen in diesem entscheidenden Moment 4 Meter von Böckle entfernt , ohne auch nur einen Gegner zu decken ! Das kolossal zerfetzte Spiel Jenas wurde auch nicht durch Vornahme Werners in den Sturm zusammengeschweißt . Im Gegenteil ! Die Läuferreihe blieb jetzt unter der Führung des steifen , ungelenken Richter stets Unruheherd der Mannschaft . Es war nur ein Glück , daß sich Hädicke und Ketteritzsch endlich fanden , und mit Günther ein Spieler ganz großen Formats im Tor stand . Ohne Günther wäre Jena unaufhaltsam der Katastrophe zugesteuert . So würgte sich Jena recht und schlecht durch . In wieviel Stoßgebeten mag das Ende dieser für Jena recht unerquicklichen Halbzeit herbeigesehnt worden sein ! Es wirkte fast wie ein Wunder , als Jena eine Minute vor dem Pausenpfiff plötzlich zu einem Treffer kam , den niemand vorausgeahnt und erhofft hatte . Weidner nahm Werner unerlaubt hart . Werner setzte zum Vollzug des Freistoßes 25 Meter vor dem Tor an . Anstatt des Bombenschusses , den die " lebende Mauer" der Stuttgarter erwartete , kam ein feiner , weicher Flachpaß zu Kind , der direkt , unheimlich scharf in Stuttgart Tor kanonierte .
Dieser Treffer brachte Stimmung ins weite Rund , die noch eine wesentliche Steigerung erfuhr , als Jena plötzlich fast seine Meisterschaftsform gefunden hatte , wenigstens was das Feldspiel anbelangt . Endlich wurde der Ball flach und auf dem kürzesten Wege zugespielt . Dieser jähe Wechsel des Spielsystems kam den Stuttgartern so unerwartet , daß es in ihrem Strafraum des öfteren recht mulmig für sie aussah . Hätten die Jenenser jetzt ein bis zwei konzentriert arbeitende Stürmer gehabt , wäre die sensationelle Wendung nicht nur im Charakter des Spiels , sondern auch im Endergebnis zum Ausdruck gekommen . Wobei aber nicht verschwiegen werden darf , daß damit eine himmelschreiende Sünde an den äußerst sympathischen Stuttgartern begangen worden wäre . Denn Jena spielte keinen Augenblick die dominierende Rolle , wie es Stuttgart in der ersten Halbzeit tat . Jedenfalls sprang für Jena eine reelle Gewinnchance heraus , als in der 85. Minute Weidner im Strafraum Hand machte ( welch Ironie des Schicksals , daß gerader dieser glänzende Spieler an den beiden Toren Jenas Schuld trug ) und Werner den Elfmeter ( Rutz war an Stelle von Kapp ins Tor gegangen ) sicher verwandelte . Doch Fortuna lächelte dem Besseren in diesem Spiel zu . Oder wollte man hier vielleicht nicht vom Glück sprechen , da ausgerechnet der wegen Verletzung nach rechtsaußen gegangene Bökle im Anschluß an einen Freistoß den Ball so glücklich vor die Füße bekam , daß das Siegestor unausbleiblich war ?!
Der Schiedsrichter Best (Frankfurt a. M. leitete das überaus faire Spiel bis auf zwei Abseitsfehler , die beide Male Jena benachteiligten , gut .
Bericht aus der Fuwo vom 21. Mai 1935