1969/1970 EC III 4. Spiel: US Cagliari - FC Carl Zeiss Jena 0:1
Spieldaten | |
Wettbewerb | EC III, 2. Runde Rückspiel |
Saison | Saison 1969/1970 |
Ansetzung | US Cagliari - FC Carl Zeiss Jena |
Ort | Stadio Amsicora in Cagliari |
Zeit | Mi. 26.11.1969 |
Zuschauer | 5.900 |
Schiedsrichter | Daniel Zariquiegui Izco (Spanien) |
Ergebnis | 0:1 (0:1) |
Tore |
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Aufstellungen
- Cagliari
- Enrico Albertosi
- Mario Martiradonna, Giuseppe Tomasini, Comunardo Niccolai, Giulio Zignoli
- Nenè, Ricciotti Greatti (80. Eraldo Mancin)
- Angelo Domenghini, Mario Brugnera, Sergio Gori (46. Cesare Poli), Corrado Nastasio
Trainer: Manlio Scopigno
- Jena
- Wolfgang Blochwitz
- Udo Preuße, Peter Rock, Michael Strempel, Werner Krauß
- Roland Ducke, Helmut Stein, Harald Irmscher, Rainer Schlutter (60. Jürgen Werner)
- Peter Ducke, Dieter Scheitler
Trainer: Georg Buschner
Spielbericht
Der Schock traf diesmal die Azzurri
Vier Tage lang lieferte Jenas Trainer Georg Buschner im "Jolly"-Hotel von Cagliari einem unsichtbaren, nur schwer zu packenden Gegner erbitterte Kämpfe. Sechs seiner Spieler hatten Neapel, hatten das deprimierende 0:3 unserer Auswahl direkt miterlebt. Ihr Selbstvertrauen war verständlicherweise mehr als angekratzt. Die Jubel-Schlagzeilen der italienischen Presse wie "Cagliari-DDR 3:0" taten das Ihre, Schreck und Schock im Nacken der Spieler fest hocken zu lassen. "Hartes, ungewöhnlich hartes Training gleich ab Sonntag, das war der erste Schritt weg vom ´Gespenst´ Neapel. Der zweite: Nüchterne Analyse der Ursachen des 0:3-Einbruches, im Endeffekt - konfuse Deckungsarbeit, die den Italienern alles erlaubte, ihnen geradezu entgegenkam." So Georg Buschner, der es mit Herbert Keßler schaffte, daß ihre Mannschaft mit der Devise in das schwere Rennen gehen konnte: "Da anknüpfen - in allen Belangen - wo beim 2:0 im Abbe-Stadion aufgehört worden war." Und der Zeiss-Elf gelang dies.
"Insgeheim hatte ich erwartet, Ihre Mannschaft würde verteidigen, um den kostbaren 2:0-Vorsprung zu behaupten, aber sie dachte nicht daran", sagte Albert Dickes (Luxemburg), offizieller Beobachter des Messecup-Komitees, nicht ohne Bewunderung. Nein, daran dachte Jena nicht. "Auf diesem schlüpfrigen Boden wäre es ein zu großes Risiko, nur betont die Abwehr zu suchen.", verriet mir Georg Buschner seine Überlegung.
Bei häßlich-kaltem wassergußartigem Dauerregen startete die von R. Ducke und Schlutter blendend geführte Zeiss-Elf mit konzentrierten Aktionen, die Cagliaris Angriffswellen schon weit vor dem Strafraum verebben ließen. Wieder zwang die hautnahe, aber korrekte Deckungsarbeit (nur eine Verwarnung an Jena, aber vier an Cagliari) Scopignos Angriffsspitzen auf andere Positionen auszuweichen, eine "weichere Stelle" im Zeiss-Abwehrgefüge zu suchen. Doch ihre Wechsel glichen bald einer Ausflucht. Denn wie W. Krauß an Domenghini, so klebte Strempel an Gori, Preuße an Nastasio, Schlutter hatte stets Brugnera in "Reichweite" und Stein den an diesem Tage offenkundig mobilsten Sarden, den Ex-Santos-Spieler Nené.
Diese Deckungskonsequenz blieb die Voraussetzung für Jenas selbstbewußte, energische Aktionen in der Folgezeit. Denn natürlich wurde diese Spielweise nicht minder überlegt in Richtung Albertosi-Tor fortgesetzt. "Die Doppelspitze P. Ducke-Scheitler muß vorn Unruhe stiften, durch ständiges Rochieren, muß eben drei, vier Abwehrspieler binden", hatte Georg Buschner angewiesen, "und die freien Flügel bleiben R. Ducke wie Schlutter zum blitzartigen Durchstoßen." Das klappte mit verblüffender Selbstverständlichkeit, obwohl der glatte Rasen besondere Mühe bereitete. Zuspiel, überlegte Laufarbeit ohne Ball, wechselseitiges Nachrücken von Stein, Irmscher, Schlutter oder R. Ducke banden Cagliaris Kräfte meist schon in dessen eigener Hälfte. Wohl waren anfangs die Spielanteile ausgeglichen, indes die gefährlicheren Aktionen starteten schon da die Gäste. Als in der 29. Minute Nene für den 1. Eckball der Cagliaris sorgte, hatten die Jenaer schon deren sechs gefährlich vors Tor gezirkelt. Und einer führte auch zum alles entscheidenden Siegestreffer. Schlutter hob den 3. Eckball vors Tor, ausgangs des Fünf-Meter-Raumes senkte sich der Ball. Standardgemäß lauerte dort Strempel, stieg hoch, köpfte zurück - und wieder standardgemäß auf den Fuß des nachgerückten Stein.
Die Freudentänze danach waren verständlich. Diese 7. Min., schon entschied über Jenas Weiterkommen, und sie entschied auch über den Tagessieg. Wie in Neapel unsere Auswahl, so traf im Amsicora die Azzurri der schockierende erste Treffer. Jena konterte, ließ die später fast konfusen Angriffsbemühungen zerschellen und demütigte, nachdem gefährliche Schüsse von Brugnera (38.) und Martiradonna (41.) das letzte Aufbäumen andeuteten, den Gastgeber durch ein weiträumiges, auf Sicherheit bedachtes (Zeit-)Spiel. Man paßte sich den Ball im Karussell-Stil zu, hetzte Domenghini und Co. nach Belieben. Wie entnervt die Akteure des italienischen Spitzenreiters waren, ging aus ihren hilflos-unbeherrschten Fouls hervor, die zwar des sehr korrekten Referees ganze Aufmerksamkeit erforderten, aber Jena nie von der Linie abbrachten.
(Horst Friedemann in "Die Neue Fußballwoche" vom 2. Dezember 1969)