1974/1975 24. Spieltag: SG Dynamo Dresden - FC Carl Zeiss Jena 4:0
Spieldaten | |
Wettbewerb | DDR-Oberliga, 24. Spieltag |
Saison | Saison 1974/1975, Rückrunde |
Ansetzung | SG Dynamo Dresden - FC Carl Zeiss Jena |
Ort | Dynamo-Stadion in Dresden |
Zeit | Sa. 17.05.1975 15:00 Uhr |
Zuschauer | 33.000 |
Schiedsrichter | Wolfgang Riedel (Berlin) |
Ergebnis | 4:0 |
Tore |
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Aufstellungen
- Dresden
- Claus Boden
- Hans-Jürgen Dörner
- Udo Schmuck, Siegmar Wätzlich
- Christian Helm, Reinhard Häfner, Frank Ganzera (71. Klaus Lichtenberger), Gerd Weber
- Dieter Riedel, Peter Kotte, Rainer Sachse (69. Matthias Donix)
Trainer: Walter Fritzsch
- Jena
- Hans-Ulrich Grapenthin
- Helmut Stein
- Gert Brauer, Ulrich Göhr, Harro Günther
- Lothar Kurbjuweit, Rainer Schlutter, Martin Goebel, Dietmar Sengewald (60. Uwe Neuber)
- Klaus Schröder, (75. Harry Kunze), Eberhard Vogel
Trainer: Hans Meyer
Spielberichte
Dynamo beherrschte das Geschehen
Aus seinen letzten vier Heimspielen gegen Aue, Stralsund, Riesa und Frankfurt hatte Dynamo eine wahre Tor- und Punktelese gemacht: 10:0 Treffer, 8:0 Zähler! Diesen Formanstieg mit Blickrichtung Pokalfinale stand Jenas Leistungabfall gegenüber: 0:2 in Riesa, 0:1 gegen den FCV. was beide Mannschaften am Pfingstsonnabend im randvollen Dynamo-Stadion voneinander unterschied wurde rasch offenbar:
DRESDEN stellte eine intakte, homogene Mannschaft. In ihr manifestierte sich die Kunst des Spiels ebenso wie der kämpferische Elan. Individuelle Improvisation schuf ständig Gefahrenquellen. Alle von Beginn an aufgebotenen Akteure sorgten sich um den Spielgedanken. Verletzungsausfälle (Richter, Schade, Kreische) wurden mühelos verkraftet. Dynamos Stil blieb anspruchsvoll.
JENA erreichte keine akzeptable Synthese von Kampfkraft und Spielkultur. Sporadisch aufblitzendes Spielverständnis in der Anfangsphase war keine Legimitation für innere Stabilität. Das Fehlen von P. Ducke, Schumann, Weise, Irmscher und Wachter bewirkte einen krassen Niveauabfall.
Dynamo brauchte keine Anlaufzeit. Die Schwarz-Gelben waren sofort "am Ball". Unkontrolliertes Steilspiel schlossen Dörner, Häfner, Ganzera und Weber a priori aus. Ihrer Initiative entsprangen eine Fülle temposcharfer, ideenreicher Angriffsaktionen. Ganz zu schweigen von der Torgefährlichkeit der Spitzen. Riedels Spritzigkeit, Kottes Draufgängertum und Sachses Einfühlungsvermögen waren ein Pfund, mit dem sich wuchern ließ. Bis hin zum 3:0 brannte der Ehrgeiz in der Dresdener Elf, die gegenwärtige Leistungsdifferenz zwischen diesen beiden Spitzenmannschaften unserer höchsten Spielklasse in einem eindeutigen Resultat zum Ausdruck zu bringen.
Der Grundtendenz des Dynamo-Stils, eine variable Offensive zu demonstrieren, hatte Jena nur eine praktische und taktische Variante entgegenzusetzen: Ohne einen Gedanken auf andere Mitspieler zu verschwenden, schlug Kurbjuweit fast jeden Ball sofort in die Linksaußenposition, um wenigstens von der Klasse Vogels zu profitieren. Ein bescheidenes Zwei-Mann-Kapitel gegen einen Dynamo-Bestseller!
Zum Schiedsrichterkollektiv: Riedel leitete aufmerksam, entschlossen.
Quo vadis, Carl Zeiss?
Eine Frage, die ihre Berechtigung hat. Nicht wegen der letzten drei Niederlagen des FC Carl Zeiss in ununterbrochener Reihenfolge, die aus einem Titelaspiranten nur noch (!) einen Vizemeister machten. Die Frage zielt viel tiefer, muß die Substanz der Thüringer, ihr Spielerpotential und vor allem die Perspektive des Klubs in das Blickfeld rücken.
Spitzenmannschaften mit Anspruch auf internationales Format entstehen nicht über Nacht. Sie reifen in einem diffizilen Prozeß über viele Jahre. Nicht anders bei Jena. Wenn der FC Carl Zeiss seit zweieinhalb Jahrzehnten in ganz entscheidendem Maße das Niveau unseres Auswahl- und Klubfußballs mitbestimmte, zwischen 1958 und 1975 dreimal Titelgewinner, achtmal Vizemeister und dreimal FDGB-Pokalsieger wurde, so verbirgt sich dahinter eine Fleißarbeit, die nicht hoch genug gewürdigt werden kann. Richtig gehandhabte Konzentrierung trug wesentlich dazu bei. Wer diese Zeilen als eine Laudatio verstehen will, ist so schlecht nicht beraten. Aber was soll eine Lobrede, wenn die jüngsten Verletzungsausfälle von Weise, Kurbjuweit, Irmscher, P. Ducke und Schumann ein derart tiefes Leistungsgefälle zwischen den spieltragenden Kräften und den jungen Akteuren offenbarten, daß die Vision eines Schwanengesanges näher liegt?
Was sich in Riesa (0:2) und daheim gegen den FCV (0:1) schon nicht übersehen ließ, führte Dresden (0:4) schonungslos vor Augen: von Neuber (19) über Sengewald, Neubert, Schröder, Göhr, Günther, Goebel, Wachter bis hin zu Kunze (26) verfügt der FC Carl Zeiss über einen jungen Spielerkreis, dessen spielkulturelle Qualitäten mit den kämpferischen nicht Schritt halten. Eine denkbar ungünstige Konstellation für einen unserer Spitzenklubs, ganz zu schweigen von den implizierten Auswirkungen auf unseren Auswahlfußball. Schon heute, schon in diesem Spieljahr entschied Jena bereits die Mehrzahl seiner Heimspiele durch Kraftakte für sich, nicht durch Eleganz und Ideenfülle. Mit dem augenblicklichen Spielerkreis wird sich diese Tendenz nur noch verstärken, wobei den jungen Männern das Maß ihrer persönlichen Verantwortung für den Ruf des Klubs stärker denn je in die Köpfe und Herzen dringen muß. Am Scheideweg ist nur Behauptungswille opportun. Für die internationale Präsenz einer Spitzenelf ist jedoch damit allein kein Staat zu machen...
(Günter Simon in "Die Neue Fußballwoche" vom 21. Mai 1975)
Junioren : Dresden : Jena 2:0 , Tore : Gärtner 2