1974/1975 EC II 2. Spiel: FC Carl Zeiss Jena - SK Slavia Prag 1:0, 3:2 n. E.

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Spieldaten
Wettbewerb EC II, 1. Runde Rückspiel
Saison Saison 1974/1975
Ansetzung FC Carl Zeiss Jena - SK Slavia Prag
Ort Ernst-Abbe-Sportfeld
Zeit Mi. 02.10.1974 17:00
Zuschauer 9.169
Schiedsrichter Miltschenko (UdSSR)
Ergebnis 1:0, 3:2 n.E.
Tore

Elfmeterschiessen:

Andere Spiele
oder Berichte

Aufstellungen

Trikotfarben
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Jena
Hans-Ulrich Grapenthin
Helmut Stein
Gert Brauer, Konrad Weise, Ulrich Göhr
Harald Irmscher, Rainer Schlutter, Lothar Kurbjuweit
Norbert Schumann, Peter Ducke, Harry Kunze

Trainer: Hans Meyer

Trikotfarben
Trikotfarben
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Prag
Miroslav Stárek
Jan Mareš
Pavol Biros (97. Petr Ondrášek), Zdeněk Peclinovský, Bohumil Smolík
Josef Jebavý, František Cipro, Dušan Herda
František Veselý (118. Jiří Grospič), Robert Segmüller, Peter Herda

Trainer: Jaroslav Jareš

Spielbericht

Diese Nervenprobe!!!

Als der sowjetische Unparteiische Miltschenko am Mittwochabend, 19.30 Uhr, den spektakulären Höhepunkt des EC-II-Rückspiels mit dem ersten Elfmeterpfiff für den Jenaer Irmscher einleitete, gingen meine Gedanken unwillkürlich an die dramatischen Elfmeterduelle des BFC Dynamo im EC II von 1971/72 zurück. Im Hexenkessel des Ninian-Parks von Cardiff City triumphietre er in der ersten Runde mit 5:4, im "Stadion der Freundschaft" von Lwow scheiterten die Berliner am 20. April 1972 im Halbfinale gegen Dynamo Moskau mit 1:4. Und nun Jena! Und wieder im Cup der Pokalsieger, der es unseren Mannschaften offensichtlich angetan hat, wie nicht nur der vorjährige Gesamtsieg des 1. FC Magdeburg bewies!

"Unglaublich diese Nervenkraft der Mannschaft, die sich selbst am schönsten belohnte", erklärte Zeiss-Klubvorsitzender Hilma Ahnert. Erschöpft, schwer gezeichnet von der übertriebenen Härte des dramatischen Fight, stöhnte Libero Helmut Stein in der Kabine: "Ein Glück, daß mir wenigstens das 1:0 gelang. Bei dieser Fülle von Chancen war weitaus mehr möglich." In der Tat, die Zeiss-Städter hatten es beileibe nicht nötig, in diesem, den ganzen Mann verlangenden Fight, bis zur letzten Minute förmlich mit Entsetzen Scherz zu treiben. Auf 35:7 trieben P. Ducke, Schumann, Kurbjuweit, Irmscher, Kunze die Torschußskala, Kurbjuweits Volleyschuß an die Latte (23.), Schumanns Großchance in der 89. Minute, 24:6 Ecken sind nur einige wenige Hinweise dafür, wie dicht die Thüringer wieder und wieder vor der klaren Spielentscheidung standen. "Die Belastung, 2:0 gewinnen zu müssen, lähmte viele Spieler. Nach den Chancenanteilen wäre ein 6:1 oder 6:2 allerdings durchaus möglich gewesen", urteilte Hans Meyer keineswegs übertrieben.

Nicht beim 0:1 in Prag, als der Slavia-Stil durch Fairneß bestach, sahen wir den in jüngster Zeit von vielen Fachkollegen gerügten ČSSR-Klubfußball, der zu oft in hektischer, unkontrollierter Härte gipfelt. Ihn führten die Prager erst am vergangenen Mittwoch vor. Mit drei Verwarnungen (gegen Biros, Smolik und Peclinovsky) waren sie wahrlich noch gut bedient, denn wie wuchtige, drangvolle Vorstöße von Kurbjuweit oder P. Ducke oft genug mit rücksichtslosen Fouls gestoppt wurden, konnte schwerlich auf Verständnis stoßen. 20:37 lautete schlicht und einfach das Freistoßverhältnis gegen die Slavia! Gewiß, der Unparteiische tat sich mit seinem Langmut gegenüber groben Regelwidrigkeiten keinen guten Gefallen. Das aber gibt keinem Akteur auch nur das leiseste Recht, Schindluder mit dem Fairplay zu treiben! In dem Augenblick, als die Gäste die körperliche Wucht, die entschlossene Einsatzbereitschaft des Jenaer Zweckmäßigkeitsfußballs spürten, Jenas Chancen in die Höhe schnellten wie Pilze nach einem warmen Regen, ging mit der Kontrolle über die spielerischen Mittel auch der Respekt vor dem Spielgedanken verloren. Schade, ein Treffen, das so viel versprach, glitt erst im Elfmeterschießen wieder in das Fahrwasser der Selbstbeherrschung zuück!

Was sich in den vergangenen Meisterschaftstreffen schon mehrfach zeigte, war auch in diesem Nervenkampf nicht zu übersehen: Am Willen zur kämpferischen Energieleistung mangelt es keinem Zeiss-Spieler. Da ist niemand ausgenommen. Den Spielrhythmus zu verbürgen, eine wirkungsvolle Synthese von Spiel und Kampf herzustellen, ist derzeit allerdings nur drei, vier Akteuren gegeben. Gegen Slavia lastete die konstruktive Gestaltung wie das Prinzip des Safety first fast nur auf den Schultern von P. Ducke, Irmscher und Kurbjuweit sowie auf Weise und Stein. Sie machten die Pace (Kurbjuweit), spielten im hektischen Taumel ihre technischen Fertigkeiten aus (P. Ducke, Irmscher), blieben beherrschtund ließen bis auf zwei, drei kreuzgefährliche Konterangriffe der Prager keinen Zweifel daran, keinen Gegentreffer zuzulassen (Weise, Stein). Mit ihnen vermochten Göhr, Schlutter vor allem, Schumann, Kunze und Brauer über die Länge der Distanz nicht mitzuhalten, so anerkennenswert sie auch in diesem hemmungslosen Kampf bestanden, keinen Zweikampf scheuten, mit Herz und Temperament bei der Sache waren. Der am Oberschenkel verletzte Vogel jedenfalls, darüber bestand kein Zweifel, wäre mit seiner Kopfballstärke und Schußgenauigkeit genau der rechte Mann am rechten Fleck gewesen, dieses Treffen weit vor der Verlängerung und dem Elfmeterduell für seine Elf zu entscheiden. Selbst gegen einen Abwehrblock der Prager, dem es an leidenschaftlicher Hingabe bis zum Schluß nicht fehlte.

Ein Gedanke noch zum Schluß: Was beide Torsteher, Grapenthin und Starek, in diesen 130 bis 135 Minuten leisteten, an phantastischen Reaktionen vollbrachten, rückte sie in den Bereich der A-Auswahl-Qualität. Sie entzückten die Kenner, die ihnen neidlos Bewunderung zollten!

(Günter Simon in "Die Neue Fußballwoche" vom 9. Oktober 1974)