1974/1975 EC II 1. Spiel: SK Slavia Prag - FC Carl Zeiss Jena 1:0
Spieldaten | |
Wettbewerb | EC II, 1. Runde Hinspiel |
Saison | Saison 1974/1975 |
Ansetzung | SK Slavia Prag - FC Carl Zeiss Jena |
Ort | Dr.-Vacka-Stadion in Prag -Eden |
Zeit | Mi. 18.09.1974 20:00 |
Zuschauer | 7.207 |
Schiedsrichter | György Müncz (Ungarn) |
Ergebnis | 1:0 |
Tore |
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Aufstellungen
- Prag
- Miroslav Stárek
- Jan Mareš
- Pavol Biros, Zdeněk Peclinovský, Bohumil Smolík
- Josef Jebavý (76. Josef Bouška), František Cipro
- František Veselý (61. Jiří Grospič), Robert Segmüller, Zdeněk Klimeš, Peter Herda
Trainer: Jaroslav Jareš
- Jena
- Hans-Ulrich Grapenthin
- Helmut Stein
- Gert Brauer, Konrad Weise, Lothar Kurbjuweit
- Ulrich Göhr, Martin Goebel, Harald Irmscher, Dietmar Sengewald
- Norbert Schumann, Eberhard Vogel
Trainer: Hans Meyer
Spielbericht
Psychologische Belastung wurde gemeistert
Die traditionsreiche Slavia feierte. Rosensträuße für Vesely, der sein 600. Spiel für die Rotsterne bestritt, für den FC Carl Zeiss und sogar für die Zuschauer, die dem Einstand ihrer Lieblinge in ihrem dritten EC-Wettbewerb in Hochstimmung entgegenfieberten. Der Tabellenfünfte der ČSSR bot Bestbesetzung. "Schließlich streben wir einen Zwei-, Drei-Tore-Vorsprung an", so Trainer Vaclav Jares.
Und Jena? Angesichts der Besetzungsprobleme der Zeiss-Städter waren ihre größeren EC-Erfahrungen (38 Spiele, 20 Siege, 6 Unentschieden, 12 Niederlagen und 68:46 Tore( gegenüber der Slavia (6 Spiele, 2 Siege, 1 Unentschieden, 3 Niederlagen und 11:10 Tore) null und nichtig. P. Ducke, grippeerkrankt, reiste erst gar nicht mit an. Schlutter fiel beim Abschlußtraining mit einer Rückenprellung aus. Wahrlich, Hans Meyer war in einer äußerst diffizilen Situation. Aus der erfahrenen, routinierten, cleveren Mannschaft war plötzlich eine auf 24,4 Jahre im Durchschnitt verjüngte Elf mit sieben Spielern zwischen 19 und 23 Jahren geworden. Die ungewohnte Fülle der wenig erfahrenen Youngster schuf eine psychologische Belastung, brachte Unruhe und Nervosität mit sich. "Daß die Mannschaft dieser Probleme Herr wurde, rechne ich ihr hoch an", resümierte Klubvorsitzender Hilmar Ahnert.
Im "Eden-Stadion" (wie der Volksmund die alte Arena nennt) gehört die "male ulicka", das Kurzpaßspiel in die "kleine Gasse" der legendären Puc, Kopecky, Bican, Cambal, Svoboda, Zenisek längst der Vergangenheit an. "Heute versucht Slavia rationeller, kraftvoller zu spielen, technisch fehlt der Elf allerdings noch viel", erklärte Frantisek Planicka, der 70jährige Torwart von einstiger Weltklasse.
In der Tat, wuchtig, einsatzstark trumpften die Prager auch auf. Ihr Ehrgeiz brannte für 90 Minuten. Ihre Willensqualitäten waren bemerkenswerter Natur. Tempofußball, mit blitzschneller Überbrückung des Mittelfeldes, Antrittsschnelligkeit oder überraschende Schwerpunktverlagerungen gehörten dagegen (noch) nicht zu ihrem Repertoire. "Wie bei vielen unserer Oberliga-Vertreter war der Stil der Slavia zu durchsichtig", kritisierte Ivo Urban ("Rude Pravo"), während UEFA-Beobachter Dr. Vaclav Jira (ČSSR) die "mangelnde Torgefährlichkeit" bemängelte.
Ungeachtet des 0:1, "als wir in der Schlußphase Konzentrationsschwächen offenbarten" (Mannschaftsleiter Peter Rock), führten die Thüringer über eine Stunde die Begegnung in der von ihnen gewünschten Manier. Grapenthins Fangsicherheit, Steins souveränes Stellungsspiel, Weises und Kurbjuweits Deckungsdisziplin und Offensivdrang, Irmschers Regie sowie Schumanns Kampfentschlossenheit, das waren Jenas Trümpfe. Derartige Individualisten standen nicht in den Reihen der Slavia. Selbst Starek, Biros, Klimes, oder Herda erreichten nie das Format der besten Jenaer. "Die gute Form der Erfahrenen erleichterte den Jungen eine schnelle Anpassung", freute sich Hans Meyer. "Sie hatten Mut, kämpften aufopferungsvoll", anerkannte Kapitän Harald Irmscher. Natürlich brauchen Brauer ("Ein großer Kämpfer, aber noch zu hitzig, deshalb mußte ich ihn und den unbeherrschten Prager Segmüller auch verwarnen", erläuterte der ungarische Referee György Müncz), Sengewald, Goebel, Göhr und Schumann noch Zeit zur Anpassung, zur Reife. Sie kämpften, suchten über Fleiß, Härte, Einsatz nach einer spielerischen Linie, die noch viel Feinschliff bedarf. Helmut Stein war unbedingt beizupflichten, daß "Slavia durchaus ausgespielt werden konnte". Ich bin auch sicher, daß sich Jena bei einem Mitwirken von P. Ducke und Schlutter nicht mit 16:6 (10:4) Torschüssen gegen die wahrlich oftmals durcheinander geratene Slavia-Abwehr begnügt hätte.
Ob zum Beispiel Libero Mares einer Dauerbelastung standzuhalten vermag, wage ich ehrlich zu bezweifeln. "Wenn wir im Rückspiel mit der guten Verfassung der zweiten 45 Minuten gegen den 1. FC Lok Leipzig spielen, ist die zweite Runde durchaus zu erreichen", erklärte "Matz" Vogel, von einer Oberschenkelzerrung noch leicht behindert. Als er sich nach dem Wechsel immer stärker im Mittelfeld etablierte, die physischen Kräfte der Jungen schwanden, kamen Jenas oftmals kombinationssichere Direktangriffe nur noch sporadisch. Slavias Eckenvorteil wuchs auf 14:6 an (1. Halbzeit noch 4:3 für Jena!), an spielerischer Linie gewannen die Gastgeber in dem insgesamt nur durchschnittliches internationales Niveau verkörpernden Treffen jedoch auch nicht.
Das 0:1 ist für unseren Pokalsieger reparabel, ohne Frage! Daheim, noch dazu in seinem 40. EC-Spiel, muß er allerdings sofort zu seinem gefürchteten Tempostil finden, um seine (Europapokal-)Welt wieder heil zu machen.
(Günter Simon in "Die Neue Fußballwoche" vom 24. September 1974)