1977/1978 EC III 1. Spiel: FC Carl Zeiss Jena - Altay Izmir 5:1
Spieldaten | |
Wettbewerb | EC III, 1. Runde Hinspiel |
Saison | Saison 1977/1978 |
Ansetzung | FC Carl Zeiss Jena - Altay Izmir |
Ort | Ernst-Abbe-Sportfeld |
Zeit | Mi. 14.09.1977 17:30 Uhr |
Zuschauer | 8.000 |
Schiedsrichter | Hirviniemi (Finnland) |
Ergebnis | 5:1 |
Tore | |
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Aufstellungen
- Jena
- Hans-Ulrich Grapenthin
- Ulrich Oevermann
- Gert Brauer, Konrad Weise, Dieter Noack
- Uwe Neuber (15. Martin Trocha), Rüdiger Schnuphase, Lutz Lindemann, Dietmar Sengewald
- Thomas Töpfer, Eberhard Vogel
Trainer: Hans Meyer
Trainer: Nis
Spielbericht
Am Ende war es ein Jenaer Powerplay
Mit türkischen Mannschaften gibt es kein Honigschlecken. Der FC Carl Zeiss wußte es aus seinen Erfahrungen gegen eben diese Altay-Mannschaft im Herbst 1969, die Nationalmannschaft unserer Republik erfuhr es im Herbst 1976 beim WM-1:1 in Dresden, denn wohl ähnlich wie die Italiener verstehen es türkische Abwehrspieler, einen schwer zu durchdringenden Riegel vor dem eigenen Tor aufzubauen. Aber es bewahrheitet sich auch oft, ist er einmal geknackt, fällt er aus allen Fassungen. Altay Izmir demonstrierte beide Seiten.
Nämlich nahezu eine Stunde hielt er dicht, wobei den Gästen allerdings jede Hake und Öse, auch manches Über-die-Stränge-schlagen recht war. Sabahattin, Nevruz, Seref und Murat handelten sich dann auch folgerichtig gelb ein. Mustafa III, der nach einem bösen Absichtsfoul an Neuber (15.) ungeschoren geblieben war, konte dann nach 57. Minuten, als bei Hirviniemi die sprichwörtlich finnische Geduld zu Ende ging, auf der Auswechselbank Platz nehmen. Doch schon vorher hatte sich bei Altay angedeutet, daß Mustafa I zu sehr auf sich allein gestellt war, die Mittelfeldspieler über ihre Kräfte lebten, vorerst jeden Schritt und jedes Tempo der Jenaer mitgingen, mit fortschreitender Spieldauer die Distanzen der Izmir-Spieler zu ihren Gegenspielern immer größer wurden. Das läuferische Nachlassen erwies sich alsbald als Achillesferse der Gäste, das hohe Tempo des FC Carl Zeiss nach dem Wechsel zerstörte die Taktik und das System der Altay-Elf (übrigens auch ein Rezept für unsere Nationalmannschaft!). Trainer Necdet Nis konnte mit seiner Meinung allerdings nur Kopfschütten ernten: "Wir spielten sehr schön, ein 1:1 hätte wohl dem Spielverlauf entsprochen!" Der türkische Journalistenkollege Gürkan Ertac von "Yeni Asir" aus Izmir sah es etwas anders: "Gegen die Steigerung der Jenaer konnte Altay unerwartet nichts entgegensetzen." Womit er wohl mehr ins Schwarze traf, denn in der letzten halben Stunde kam die Gästeelf kaum noch aus der eigenen Hälfte heraus.
Die Jenaer verloren bei aller Freude über den kaum in dieser Höhe eingeplanten Sieg nicht den Sinn für die Realität. "In der ersten Halbzeit lief nur wenig zusammen", urteilte Neu-Nationalspieler Lutz Lindemann. Eberhard Vogel bemerkte: "Wir taten taktisch das, was wir nicht tun sollten, viel dribbeln und hoch flanken." Sicherlich spielte auch eine Rolle, "daß der Schock der Verletzung und des Handstrafstoßes tiefer saß als gewünscht" (Hans Meyer). Deckungsunsicherheiten, fehlerhafte Abspiele, von denen sich keiner ausnahm, ungenügende Angriffswirksamkeit prägten das Jenaer Spiel.
Vogels verwandelter Foulstrafstoß schien jedoch eine Barriere zu sprengen, "nun wurde unser läuferischer Aufwand auch in durchdachte Aktionen umgesetzt" (Konrad Weise), "unser Spiel gut und ansehenswert" (Hans Meyer). Hauptanteil daran hatten ein diesmal betont offensiver Weise, ein Lindemann, der bei nachlassender Türkenkraft mehr zu seinem Spiel fand, zwei sich enorm steigernde junge Außen Trocha und Töpfer, von denen der letztere vielleicht sein bisher bestes Spiel im Zeiss-Dreß bot, und vor allem ein sich erstaunlich steigernder Vogel, der beim Foulstrafstoß kaltblütig Tanzer ins falsche Eck schickte, mit einer technischen das vierte Tor markierte, als sein Knaller aus 14 Metern fast das Netz zerriß. Aber auch die Tore der Youngster sprachen für gewonnenes Selbstvertrauen. Mit fast artistischem Hackenzieher schaffte der blitzschnell reagierende Trocha den Ausgleich, Töpfers Flachschuß ließ Tanzer keine Abwehrmöglichkeit. Töpfers Durchsetzen beim fünften Treffer und der überlegte Effetschuß am Altay-Schlußmann vorbei zählten zu den Höhepunkten der Partie.
Die Freizügigkeit durch die in der Schlußphase in der Deckung völlig überforderten Altay-Spieler nutzte der FC Carl Zeiss zu beeindruckenden Kombinationsfolgen, weil sich nun mehr Abspielmöglichkeiten boten, größere Sicherheit und Ballsicherheit in die Reihen der Gastgeber einzogen, mehr Mut und Risiko gezeigt wurde (Töpfer), der gewählte Weg über die Flügel zusätzliche Schwierigkeiten für die Türken mit sich brachte. Am Ende war es ein Powerplay der Jenaer, endlich einmal aber überlegt und durchdacht durchgeführt. Der Erfolg stellte sich ein.
So präsentierte sich der FC Carl Zeiss also in dieser abendlichen Stunde mit zwei Gesichtern. In Erinnerung blieb vor allem das der letzten halben Stunde, weil die Steigerungsmöglichkeiten der Zeiss-Elf deutlich sichtbar wurden, ohne daß schon alle ihr Maximum ausschöpften (Brauer, Oevermann, Sengewald, Schnuphase). Das bessere Gesicht von Anbeginn zu zeigen muß das nächste Ziel der Saalestädter sein, denn in Izmir wird einiges davon abhängen. Denn in Schwierigkeiten möchten die Jenaer sicherlich nicht kommen. Und da sollte man dann auch gleich am Anfang die richtige Rechnung aufmachen. Das Ziel ist lohnend, wenn es auch beim Rückspiel kein türkisches Honigschlecken wird.
(Jürgen Nöldner in "Die Neue Fußballwoche" vom 20. September 1977)