1968/1969 05. Spieltag: FC Carl Zeiss Jena - BSG Chemie Leipzig 2:2
Spieldaten | |
Wettbewerb | DDR-Oberliga, 5. Spieltag |
Saison | Saison 1968/1969, Hinrunde |
Ansetzung | FC Carl Zeiss Jena - BSG Chemie Leipzig |
Ort | Ernst-Abbe-Sportfeld |
Zeit | Sa. 14.09.1968 15:00 Uhr |
Zuschauer | 18.000 |
Schiedsrichter | Heinz Einbeck (Berlin) |
Ergebnis | 2:2 |
Tore |
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Aufstellungen
- Jena
- Wolfgang Blochwitz
- Udo Preuße, Peter Rock, Michael Strempel, Jürgen Werner
- Harald Irmscher, Rainer Schlutter, Roland Ducke
- Helmut Stein, Peter Ducke, Dieter Scheitler (57. Werner Krauß)
- Trainer: Georg Buschner
- Leipzig
- Volkhard Jany
- Bernd Dobermann, Manfred Walter, Roland Krauß, Heinz Herrmann
- Wolfgang Krause, Manfred Richter (74. Wilfried Erler), Bernd Bauchspieß
- Helmut Schmidt, Dieter Scherbarth, Otto Skrowny (ab 63. Bernd Matoul )
- Trainer: Otto Tschirner
Spielbericht
Der Meister ist nervlich anfällig
Der Kurzkommentar Armin Werners vom Wissenschaftlichen Zentrum des DFV war treffend. "Die Auseinandersetzung besaß typischen Pokalcharakter, es knisterte nur so. Für meine Begriffe verdrängten zu viele risikolose Schläge aus der Abwehr heraus die spielerischen Elemente doch zu sehr." Nun ist zwar die Schönheit des Fußballs schon lange kein geeignetes Streitobjekt mehr, wo allgemein Sachlichkeit und Zweckmäßigkeit die stilbeherrschenden Faktoren sind, doch daß ein pausenloses Hin- und Herschlagen der Bälle von einem Strafraum zum anderen unbedingt produktiv sein soll, wage ich doch sehr zu bezweifeln. Tempobeschleunigung mag daraus vielleicht entspringen, direkte Torgefährlichkeit wohl kaum! Beim Meister schlug sich diese optisch wenig gefällige Art zum Beispiel im fast völligen Ausfall von Scheitler und Stein nieder, die zwar zu einem hohen Laufpensum gezwungen wurden, dabei aber nur ganz selten in Ballbesitz kamen. Scheitler war gar in den ersten zwanzig Minuten nur einmal am Ball ("Vielleicht versteht er das als ´Spiel ohne Ball´", sagte da Jenas Altinternationaler Karl Schnieke ein wenig sarkastisch)! Es verwunderte deshalb auch nicht, daß Jenas Treffer zwei bildschönen Kopfbällen des explosiven P. Ducke entsprangen. Zum einen nicht, weil das flache, direkte Grundliniendurchspiel an der Schwäche von Scheitler und Stein scheiterte, zum anderen nicht, weil Schüsse aus der zweiten Reihe ausgesprochene Mangelware waren. Allein Irmscher und P. Ducke fanden sich mehrfach zu Direktpassagen, doch da war Jany mit begeisternden Paraden auf der Höhe seiner Aufgaben. Wie er einen Volleyschuß Irmschers aus dem Dreieck boxte (62.), war eine Reaktion ganz großen Stils!
"Unsere Abwehr ist nervlich zu labil, von unseren bisherigen fünf Gegentreffern waren vier äußerst billig", ärgerte sich Georg Buschner. Gewiß, von Stabilität, von Sicherheit und Ordnung waren bei Rock, Strempel (der mit Scherbarth ein ideales Freistoßpärchen abgab) und Werner keine Spur, doch die eigenen Sünden dem Gegner als "billigen Vorschuß" anzulasten, ist alles andere als gerechtfertigt. Nicht der Meister, Chemie bemühte sich vielmehr um den vorteilhafteren spielerischen Zuschnitt; nicht R. Ducke und Schlutter besaßen die effektvollen, torgefährlichen Mittel, sondern Bauchspieß und Schmidt.
"Was ich vor dem Spiel erhoffte, taktisch diszipliniert in der Abwehr und durchschlagskräftig vor allem über den rechten Flügel zu spielen und so einen Punkt zu gewinnen, bestätigte sich vollauf", strahlte Chemie-Trainer Otto Tschirner. Die Widerstandskraft der Messestädter schien nach dem 1:2 schon gebrochen, doch die unglaubliche Kampfkraft des überragenden Walter sowie die Kaltschnäuzigkeit von Bauchspieß und Schmidt, von dessen Qualitäten der Meister bis auf P. Ducke keinen Stürmer besaß, richteten Chemie noch einmal auf. Bauchspieß hatte jetzt auch noch die Nerven bei der eiskalten Vorbereitung des 2:2, die Rock bei der Verwandlung eines Handstrafstoßes (Herrmann) in der 43. Minute nicht besaß.
Zum Schiedsrichterkollektiv: "Das schwerste Spiel, das ich seit 1963 zu leiten hatte", erklärte Einbeck freimütig. Hätte der Berliner jede Unkorrektheit unterbunden, wäre das "Pfeifkonzert" komplett gewesen. Etwas mehr Nachdruck bei Ermahnungen aber hätten der verkrampften, hitzigen Atmosphäre sicher gut getan.
(Günter Simon in "Die Neue Fußballwoche" vom 12. September 1968)
Junioren : 3:2 - Jena : Benkert , Pogorzelski , Lütz ( Müller) , Rummler , Struppert , K.Weise (Maerz) , Wachter , Nößler , Richter , E.Weisse , Danz - Tore : E.Weisse 2 , Danz / ?
Am Rande notiert
Im idyllisch gelegenen Ernst-Abbe-Sportfeld, in dem für gewöhnlich nur der Fußball regiert, herrschte am Sonnabend ein buntes, fröhliches Treiben. Diesmal kamen die Zeiss-Werker nicht nur zum Spiel ihres Meisters, sie feierten darüber hinaus auch ihr traditionelles, nun schon zum zwölften Male ausgetragenes Betriebs-Sport- und Kulturfest. Wie vielseitig die sportlichen Betätigungsmöglichkeiten im VEB Carl Zeiss, dem größten feinmechanisch-optisch-elektronischen Betrieb der Welt, sind, demonstrierten Hunderte von Sportlern, Fußballer, Leichtathleten, Kanuten, Ruderer, Turner, Spielmannszüge, die Lehrlinge der Betriebsberufsschule und viele andere mehr bei ihren Darbietungen, die mit viel Beifall bedacht wurden. Es galt besonders herzlich jungen Praktikanten des heldenhaft um seine Freiheit und nationale Unabhängigkeit kämpfenden vietnamesischen Volkes, die zur Zeit in Jena zur Ausbildung weilen, ungarischen Arbeitern, einer japanischen Gewerkschafter-Delegation, dem jugoslawischen Botschaftsrat in der DDR, Dragulic, sowie den fleißigen Bauarbeitern der alten Zeiss-Stadt, die Jenas Antlitz immer moderner, schöner gestalten.
Daß die Jenaer ihr "12." und das Oberliga-Punktspiel dazu bei freiem Eintritt erlebten (!), animierte auch die rund zweitausend Leipziger Schlachtenbummler, die mit einem Sonderzug und ungezählten Omnibussen und PKW in die Saalestadt gereist waren, zu noch größerer Stimmgewalt, als sonst. "Diese Chemie-Kulisse ist wirklich imponierend", gestand da auch Jenas Cheftrainer Georg Buschner ein, nicht ohne hinzuzufügen, "daß das Jenaer Publikum einen Schuß dieser Begeisterungsfähigkeit auch vertragen könnte". Offenbar hält man es aber in der ehrwürdigen Universitätsstadt mehr mit der verhaltenen, akademischen Freude, fern jeden lauten Tons. Gegen zweitausend Chemie-Anhänger setzten sich jedenfalls 16000 Fußball-Begeisterte nicht durch!
(Autor unbekannt in "Die Neue Fußballwoche" vom 12. September 1968)