1980/1981 ECII 9. Spiel: Dynamo Tiflis - FC Carl Zeiss Jena 2:1
Spieldaten | |
Wettbewerb | EC II, Finale |
Saison | Saison 1980/1981 |
Ansetzung | Dynamo Tiflis - FC Carl Zeiss Jena |
Ort | Rheinstadion in Düsseldorf |
Zeit | 13. Mai 1981, 20:15 Uhr |
Zuschauer | 9.000 |
Schiedsrichter | Riccardo Lattanzi (Italien) Linienrichter: Luigi Agnolin, Paolo Bergamo (beide Italien) |
Ergebnis | 2:1 |
Tore |
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Andere Spiele oder Berichte |
Aufstellungen
- Tiflis
- Otari Gabelija
- Nodar Chisanischwili
- Georgi Tawadse, Alexandre Tschiwadse, Tamaz Kostawa
- Zaur Swanadse (68. Nugsar Kakilaschwili), Vitali Darasselija, Tengiz Sulakwelidse
- Wladimir Guzajew, Dawit Qipiani, Ramaz Schengelija
Trainer: Nodar Achalkazi
- Jena
- Hans-Ulrich Grapenthin
- Rüdiger Schnuphase
- Gert Brauer, Lothar Kurbjuweit, Wolfgang Schilling
- Gerhardt Hoppe (89. Ulrich Oevermann), Andreas Krause, Lutz Lindemann
- Andreas Bielau (74. Thomas Töpfer), Jürgen Raab, Eberhard Vogel
Trainer: Hans Meyer
Spielbericht
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Jenaer Mannschaft vor Anpfiff des Spiels
hinten v.l.: Eberhard Vogel, Jürgen Raab, Andreas Bielau, Rüdiger Schnuphase, Gerhardt Hoppe, Hans-Ulrich Grapenthin, Lothar Kurbjuweit; vorn v.l.: Wolfgang Schilling, Lutz Lindemann, Gert Brauer, Andreas Krause -
Eintrittskarte
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Gert Brauer im Zweikampf
Die tollen Tore der Solisten
GEMEISTERTE PROBLEME
Die Kunst, das 21. EC II-Finale anspruchsvoll zu machen, mußten Tbilissi und Jena, zwei Endspiel-Debütanten, aus sich selbst heraus entwickeln. Zwei Klubs aus sozialistischen Ländern im Düsseldorfer Rheinstadion - da häuften sich die Banalitäten in der BRD-Presse. Seit langem ist Düsseldorf kein Resonanzboden für guten Fußball und Besucherströme. Knapp 10000 im Schnitt, mehr lockt die heimische Fortuna nicht hinter dem Ofen hervor. 1000 Fans aus der Zeiss-Stadt und Dynamo-Anhänger aus dem fernen Grusinien standen ihren Mannschaften zur Seite (die internationale Aufmerksamkeit für das Finale schlug sich darin nieder, daß die Fußballinteressierten in 22 Ländern direkt und in 19 zeitversetzt aus vier Kontinenten Augenzeugen wurden). Endspiel und Fluidum gehören zusammen wie Spiel und Kampf. Ein Kompliment an beide Klubs für ihre Fähigkeit, trotz leerer Ränge in der Stimmung für fairen, variablen, sowohl ästhetischen als auch couragierten Fußball zu sein. Erwartungsgemäß? Sehr richtig! Und das trotz aller Probleme.
STILVORSTELLUNGEN
Nicht selten gerät ein Spiel völlig in die Sackgasse, weil zwei extrem verschiedene Spielauffassungen und Stilvorstellungen sich mehr im Wege stehen als sich ausdrucksstark entfalten. Hans Meyer und Nodar Achalkazi, studierter Brückenbau-Ingenieur, wußten das. "Finden beide Mannschaften ihr Spiel, ist uns um das Niveau nicht bange. Dann weicht auch die psychologische Belastung, die ja jeden Akteur in ein Finale begleitet, sehr rasch." So der Tenor beider Trainer.
Jena und Tbilissi entledigten sich dieser diffizilen Aufgabe mit Anstand. Bis hin zum Endspiel boten beide Klubs schon Besseres. Jena gegen AS Rom, Valencia und Benfica. Tbilissi vor allem gegen West Ham United und Feyenoord. "In Düsseldorf zählte das alles nichts. Da waren wir individuell stärker, technisch besser, wobei ich zugebe, daß wir gegen Jena den härtesten Widerstand in allen Spielen zu brechen hatten", so Dynamo Kapitän Alexander Tschiwadse. Was Dynamo an Romantik (als spielerischen Zauber zu verstehen), technischer Vielfalt, Einfallsreichtum und Ideen in petto hat, deuteten die Grusinier über weite Strecken nur an, weil Jena nicht geneigt war, sich als Außenseiter zu fühlen. Geradliniger, kämpferischer akzentuiert, so boten die Thüringer Paroli. Nicht sporadisch, nein, in ständigem Wechsel von Offensive und Defensive. Das Spiel beider Klubs entfaltete sich in einem Intervall-Rhythmus mit gleichstarken Initiativen oder hinhaltenden und regenerierenden Phasen. Dazu gehörte viel Selbstbeherrschung, weil alles ineinanderfloß: Abtasten, Fehlerquellen ausspähen, Konter- und Kombinationsfußball (der beiden nicht immer fehlerfrei gelang, ungeachtet zahlreicher herrlicher Angriffsaktionen) inszenieren, die Spielentscheidung vorzubereiten und zu erzwingen.
SELBSTBEWUSSTSEIN
Jenas Chance, dieses Finale zu gewinnen, basierte auf dem Vorhaben, kompromißlos zu stören, Dynamos spielerische Aktivitäten einzuschränken, die konstruktiven (Kipiani, Darasselija, Sulakwelidse) und aggressiven Kräfte (Guzajew und Schengelija verkörperten niveauvollsten internationalen Standard!) zu neutralisieren. Gedanklich saß das wohl in allen Köpfen. Ja, es hieße Jena Unrecht anzutun, würde man seine eindrucksvollsten Augenblicke negieren: Lindemann servierte vor dem Wechsel elegante Pässe und Schwerpunktverlagerungen; Raab und Vogel sicherten klug das Leder und fanden sich zu Doppelpässen; Schilling warf allen Mut gegen Guzajew in die Waagschale; das Duell Krause kontra Kipiani stand lange pari, ehe sich der 30jährige diplomierte Jurist aus den Fesseln der Zweikampfhärte löste und jenen Fußball artistischer Prägung zelebrierte, der seinem Naturell entspricht.
Jenas Vorfinal-Widersacher scheiterten an zwei Zeiss-Tugenden: an der dynamischen Tempogestaltung und der zähen Widerstandskraft der Meyer-Elf. Tbilissi parierte das eine und setzte gegen die Abwehrstabilität des DDR-Pokalsiegers ein unbändiges Selbstbewußtsein entgegen, dessen Grundlage die technische Perfektion jedes einzelnen war. Jena unterlag einer besseren Elf mit technisch variableren Ausdrucksmitteln. In den Toren von Guzajew und Darasselija fand das seinen bemerkenswertesten Ausdruck.
ABSCHIED UND AUSBLICK
Die Szenerie war zauberhaft: Bei Musik und Tanz feierten Dynamo-Tbilissi-Anhänger zu vormitternächtlicher Stunde den EC-Triumph ihrer Lieblinge. Der Fußball der UdSSR konnte durch seinen Pokalsieger nicht besser repräsentiert werden. Das wird 1981/82 nicht anders sein. Trotz großer Widrigkeiten (Verletzungsausfälle, Verwarnungs-Zwangspausen) stieß der FC Carl Zeiss bis in das Endspiel vor, das ihn auch glücklos (Raabs Großchance/46.) sah. Bleibt nur zu hoffen, daß wir nicht wieder sieben lange Jahre vor uns haben, um zum drittenmal in den Genuß einer eigenen Endspiel-Teilnahme zu kommen.
(Günter Simon in "Die Neue Fußballwoche" vom 19. Mai 1981)
Video
Erinnerungen
Nach dem 3:1-Sieg im Pokalfinale am 17. Mai 1980 gegen den FC Rot-Weiß Erfurt lieferte der FC Carl Zeiss Jena eine hervorragende Vorstellung im folgenden Europapokalwettbewerb der Pokalsieger ab.
- 1. Runde: der Wahnsinn gegen AS Rom - 0:3 in Rom verloren und dann zu Hause ein 4:0
- 2. Runde: gegen den FC Valencia zuerst zu Hause ein 3:1 - auswärts ein 0:1
- 3. Runde: gegen Newport County wieder zuerst zu Hause - diesmal ein 2:2, aber auswärts dann ein 1:0
- 4. Runde: Gegner war Benfica Lissabon - zu Hause ein 2:0 Sieg und auswärts nur 0:1 verloren
Da das Finale in Düsseldorf stattfand, durfte nur eine handverlesen Zahl an Anhängern mitfahren. Da auch noch die westdeutschen Medien dieses Spiel für „Kalte-Kriegs-Propagande“ nutzten, verloren sich nur 9000 Zuschauer im Düsseldorfer Rheinstadion. Bedauerlicherweise konnte sich die UEFA zu keiner Verlegung des Spiels (beispielsweise nach Prag) durchringen und versperrte damit den treuen Fans den Weg zum Finale.
Es war ein recht ausgeglichenes Spiel, mit ein paar mehr Chancen für Tiflis. In der 63. Minute schaffte der FCC den Führungstreffer. Nach Doppelpass zwischen Raab und Vogel flankte Raab in den Strafraum, wo Hoppe frei zum Schuss kommt und zum 1:0 traf. Jena machte nun den Fehler, weiterhin sehr (zu) offensiv zu spielen und wurde vier Minuten nach der Führung prompt bestraft. Guzajew machte den Ausgleich. Kurz vor Abpfiff der regulären Spielzeit wurde Darasselija bei einem Solo nicht energisch genug angegriffen und konnte den 2:1-Siegtreffer für Tiflis erzielen.
--Jens 16:48, 24. Mär. 2007 (CET)
Späte Ehrung
Am 13. Mai 2016, um 19:03 Uhr, durfte sich die Mannschaft in das "Goldene Buch" der Stadt Jena eintragen. Auf den Tag genau 35 Jahre nach dem Final wurde auf Wirken des Supporters Trust eine überfällige Ehrung nachgeholt.
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Unterschriften im "Goldenen Buch" der Stadt Jena.
Die Druckfehler in den Namen und fehlenden Namensteile sollen später noch korrigiert werden. -
von links: Gerhardt Hoppe, Martin Trocha, Andreas Bielau, Gert Brauer, Paul Dern, Jürgen Raab, Matthias Dressel, Eberhard Vogel, Lutz Lindemann (verdeckt), Roland Kulb, Ernst Schmidt, Oberbürgermeister Albrecht Schröter (mit Buch), Hans Meyer, Rüdiger Schnuphase, Ulrich Oevermann, Andreas Krause, Jörg Burow (verdeckt), Lothar Kurbjuweit, Thomas Töpfer, Helmut Stein, Günther Wolfrum, Konrad Weise; als Fotograf im Vordergrund: Christoph Dieckmann