1975/1976 EC III 2. Spiel: Olympique Marseille - FC Carl Zeiss Jena 0:1
Spieldaten | |
Wettbewerb | EC III, 1. Runde Rückspiel |
Saison | Saison 1975/1976 |
Ansetzung | Olympique Marseille - FC Carl Zeiss Jena |
Ort | Stade Vélodrome in Marseille |
Zeit | Mi. 01.10.1975 |
Zuschauer | 19.550 |
Schiedsrichter | Dick Patterson (Schottland) |
Ergebnis | 0:1 |
Tore |
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Aufstellungen
- Marseille
- René Charrier
- Marius Trésor
- Jacque Lemee, Victor Zwunka, Francois Bracci
- Robert Buigues, Raoul Nogues (68. Michel Albaladejo), Georges Bereta
- Sarr Boubacar (46. Nebojsa Zlataric), Hector Yazalde, Albert Emon
Trainer: Jules Zwunka
- Jena
- Hans-Ulrich Grapenthin
- Helmut Stein
- Gert Brauer, Konrad Weise, Ulrich Göhr
- Harald Irmscher, Lothar Kurbjuweit, Dietmar Sengewald
- Klaus Schröder, Peter Ducke, Eberhard Vogel
Trainer: Hans Meyer
Spielbericht
Taktische Cleverneß ein entscheidendes Plus!
Jenas Besorgnis war unbegründet! Doch wer konnte das zu jenem Zeitpunkt ahnen, da 35000 bei abendlicher Schwüle bereit waren, "OM" lautstark zur Höchstleistung und damit zur Revanche für das Jenaer 0:3 zu treiben? "Nogues sowie der diesmal stark offensiv eingestellte Bereta werden Olympiques Angriffsschwung gegenüber dem ersten Vergleich um ein vielfaches erhöhen. Wir wissen, was auf uns zukommt." Hans Meyers Gedankengänge orientierten darauf: Bewegungs- und Spielfreude des technisch versierten Partners mit konsequenter Deckungsarbeit von vornherein entscheidend einengen, selbst in den Phasen heftigsten gegnerischen Drucks respekteinflößende Konterattacken führen. Vorsitzender Hilmar Ahnert unterstrich es mit diesem Satz: "Wir wollen das 3:0 von Jena mit einer cleveren Einstellung erhärten."
Vogels glänzende Aktion schon nach 60 Sekunden, als er den von Irmscher kurz gespielten Ball platziert auf die rechte Ecke des gegnerischen Tores zog und den sichtlich überraschten Charrier zu einer tollen Parade zwang, unterstrich Jenas Vorhaben: Wir stellen uns zum Kampf, ohne auf das Spiel zu verzichten! Olympiques Trainer Jules Zwunka registrierte es mit spürbarem Unbehagen, wie er später zugestand: "Bereits hier wurde uns ein Warnschuß vor den Bug gesetzt, den wir bei allem leidenschaftlichen Vorhaben, doch noch in die nächste Runde vorzustoßen, nicht übersehen durften." Für den weiteren Zuschnitt der Geschehnisse war diese Szene ungemein wichtig!
Und dennoch: Abgeklärtheit und Konzentration in der Abwehr zu beweisen, bedeuteten für den FC Carl Zeiss an diesem Abend höchstes Gebot! Olympique suchte und forcierte das Tempo in der Direktkombination über das Mittelfeld, in der klugen Ballablage und dem sofort folgenden Steilpaß über die wiederum antrittsschnell davonziehenden Boubakar und Emon, Bereta, Nogues, die beiden wechselseitig geschickt vorprellenden Lemee und Bereta sowie der mit langen Schritten in die freien Räume stoßende Tresor jagten vor allem den linken Flügelstürmer mit exakt geschlagenen Flugbällen immer wieder Richtung Jenaer Tor. Brauer, 90 Minuten lang ohne Stillstand, reagierte blitzartig, wenn Emon den Weg auf der Außenbahn an ihm vorbei suchte. "Mir war klar: Den ersten Schritt muß der Gegenspieler tun - nur so habe ich gegen ihn eine Chance!"
Über Bereta schuf sich Marseille auf dieser Flanke zusätzlich einen zweiten Gefahrenschwerpunkt, doch Stein schloß die nun hin und wieder entstehenden Lücken mit instinktsicherem Stellungsspiel. "Im Mittelfeld kamen die Franzosen gelegentlich aus der Umklammerung - im torgefährlichen Bereich jedoch relativ selten." So Assistenztrainer Bernd Stange. Im Wissen, einen bei allen Flügeleingaben fehlerfrei reagierenden Torhüter hinter sich zu haben, fand Jena in der Deckung schnell die erforderliche Stabilität. Für Yazalde, diesmal von unglaublichem Ehrgeiz beseelt, und seine Nebenleute bewegten sich die Erfolgsmöglichkeiten in bescheidenen Grenzen!
Experten bestätigtem dem FC Carl Zeiss hier und auch im weiteren Verlauf, als zwischen der 46. und 60. Minute die eindrucksvollste Phase mit Serien von Direktpässen, weiträumigen Angriffsverlagerungen und selbstbewußten individuellen Leistungen zu registrieren war, insbesondere dies:
- "In der sinnvollen Aufgabenteilung besaß Jena ein deutliches Plus." So Frankreichs Auswahltrainer Stefan Kovacs, der am Ende seinen eigenen Gedanken nachhing, als er den Platz unmittelbar am Spielfeldrand verließ. Zwei Beispiele dafür: Vogels unglaubliche Fleißarbeit im Bereich zwischen beiden Strafräumen, die von Schröder geschickt interpretierte Rolle als erstes Abwehrbollwerk.
- "Obgleich Ducke diesmal, bedingt wahrscheinlich auch durch die andersgeartete Konzeption, nicht so augenfällig spielte, ist mir doch verständlich, warum Frankreichs Presse in erster Linie vor ihm warnte." Dem Urteil des Glasgower Unparteiischen Dick Patterson (40 EC-Spiele) sei hinzugefügt: Mit Tresor und V. Zwunka band der Jenaer, dessen Aktionen mit laut vernehmbaren Raunen begleitet wurden, stets zwei Gegner. Insofern erfüllte er seine taktische Aufgabe vollauf!
Olympique reagierte in zunehmenden Maße hektisch (Nogues), Jena hingegen bei Vogels Sprint zum Tor in der 46. Minute, den V. Zwunka (gelbe Karte) durch Festhalten unterband, kühl und für den Gegner unberechenbar. Die Frage des Scheiterns stand nicht mehr zur Diskussion, die einer knappen Niederlage nach einstündiger Dauer ebensowenig. Selbst Jenas gefährliche Selbstsicherheit brachte den im Schlußgang noch einmal aufbegehrenden Franzosen keinen Vorteil. In der Anzahl der Torschüsse. (1. Treffen 22:10) wahrte der Gast die Relationen (9:12) ebenso wie im Freistoßverhältnis, daß sich mit 13:13 (Hinspiel 19:19) die Waage hielt.
Die Elf wies nicht nur taktisches Meistergeschick und eine von vielen Strategen geprägte Cleverneß, sondern auch Nervenstärke und Besonnenheit in einer Partie, in der es über den Sieger eigentlich niemals Zweifel gab!
(Dieter Buchspieß in "Die Neue Fußballwoche" vom 7. Oktober 1975)